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letzter PSA vom

Erfahrungsberichte

       
01.10.2011 19.15 28.04.11
Nachtrag Oktober 2004:
Um diesen Punkt einmal für mich zu klären, habe ich erst mal im Internet nach der Todesursache gesucht. Der Eintrag "Julius Hackethal" in Wickepedia lautet klar: "... Er starb im Alter von 75 Jahren an Lungenkrebs". Nanu? Sollte die Tatsache Prostatakrebs, die mir nun schon zweimal als Fakt von Ärzten genannt worden war, eine bewusste Fehlinformation gewesen sein? Gibt es da vielleicht einen interessegeleiteten Mythos aufzudecken?
Ich suche weiter im Internet und lande bei der "Julius Hackethal Stiftung - Für eine bessere Medizin -". Meine Anfrage am 19. August 2011 wurde prompt am selben Tag beantwortet:
"Sehr geehrter Herr ....., vielen Dank für Ihr Interesse an www.julius-hackethal.de. Gern beantworte ich Ihre Frage zu dem von Ihnen dargelegten Thema. Meines Wissens nach ist Herr Prof. Julius Hackethal an einem Bronchialkarzinom verstorgen, den schon seine Mutter (Aussage von Prof. Julius Hackethal) gehabe haben dürfte.
Diese Darlegung von Prof. Hackethal kurz vor seinem Tod 1997 ist zu tiefst schulmedizinisch und begründet sich auf der Familenanamnese. Prostatametastasen metastasieren meisten ins Knochenmark und die Leber. Einen Zusammenhang herstellen zu wollen, dass zwischen dem Prostatakarzinom und dem Bronchialkarzinom im Fall Hackethal ein Verbindung bestünde, gleicht dem Versuch das Wetter z.B. für den 23.12.2011 vorhersagen zu wollen, wenn man davon absieht, dass es wahrscheinlich kälter sein wird als jetzt.
Im übrigen ist es keine Seltenheit, dass ein Arzt an der Krankheit stirbt, die er bei seinen Patienten behandelt. Ich sehe da keine Wertminderung seiner Therapien und schon gar nicht seiner Thesen aus fachlicher Hinsicht. Zudem hat Prof. Hackethal nie behauptet er könne an dieser Erkrankung nicht erkranken, sondern er hat die oft fragwürdigen Methoden der Untersuchung und Therapie kritisiert, die das Patientenwohl noch zusätzlich verschlechtern, wenn sie unsachgemäß und übertrieben angewendet werden.

Mein persönlicher Eindruck wird noch durch die von Ihnen geschilderte Reaktion des Arztes verschärft. Denn welcher Arzt, der um das Wohl seines Patienten besorgt ist, wartet mit einer Begründung seiner medizinischen Maßnahmen in der Form auf, dass ein anderer unange-nehmer Kollege an den Folgen der gleichen Krankheit verstorben sei, weil er anderer Meinung war. Das hilft dem Patienten nur wenig. Richtig wäre doch gewesen, Ihnen werturteilsfrei die Vor- und Nachteile verschiedener medizinischer Maßnahmen mit dem nötigen Respekt für Ihre Situation zu erklären ...†œ.

Diese Stellungnahme ist doch recht aufschlussreich. Wurden hier bewusst Lügengeschichten über einen früheren Medizinkritiker aufgebaut. Kommt ein Mythos von der Todursache Prostatakrebs wie gerufen, wenn man Hackethals Diktum von der Harmlosigkeit des Haustierkrebses dem Patienten ein für allemal als plausibles Argument aus der Hand schlagen will?

Weitere Recherchen ergaben, dass Frau Hackethal die Todesursache Lungenkrebs bestätigt hat. Außerdem wurde keine Bronchoskopie gemacht und es gibt auch keine Autopsie-Ergebnisse.

Was habe ich durch meine Recherche gelernt. Zur Todesursache gibt es widersprüchliche Aussagen. Eines haben allerdings meine Recherchen ganz klar ergeben, dass faktisch nicht behauptet werden kann, dass Prof. Hackethal an den Folgen eines Prostatakrebses gestorben ist. Wenn mir gegenüber ein Urologe dieses scheinbare Faktum aber als stichhaltiges Argument bei einer Entscheidungsfindung unterjubeln will, dann hat er mein Vertrauen nicht mehr verdient und mich als Patient ein für allemal verloren.

Im Herbst 2011 gehe ich zur weiteren PSA-Messung nicht mehr zum Urologen, sondern zu meinem Hausarzt; auch wenn ich dort die PSA-Bestimmung bezahlen muss. Dem Hausarzt fehlen zwar die spezifischen urologischen Kenntnisse, aber bei ihm sind die Gefahren in eine Übertherapie zu geraten auch geringer.

Der PSA-Wert ist zur meiner Überraschung weiter gefallen. Die Differenz zwischen der Messung im Labor des Stadtkrankenhauses (23,26 im April 2011) und der Messung die mein Hausarzt veranlasst hat (18,12 im Oktober 2011) beträgt immerhin 5,18 ng/ml. Das sind doch erhebliche Unterschiede, die so manchen Patienten in Panik versetzen, wenn es sich um PSA-Steigerungen handelt.

Natürlich hatte mich das Ultraschallbild, das im Frühjahr 2011 eine Wucherung in der Leber zeigte, über die Sommermonate sehr beschäftigt und mich fast aus den gewohnten Bahnen geworfen. Ich hatte befürchtet, dass ich nun doch schon der Anfang vom Ende gekommen sei. In solchen Situation macht sich auch Vorwürfe evtl. doch eine Behandlungschance vertan zu haben. Wenn dem Gefühl aber Vermuten entgegenstehen, dass es sogenannte Heilungen gibt, die gefährlicher sein können als die eigentliche Krankheit, dann schaukeln sich widersprechende Emotionen so hoch, dass man nicht mehr klar denken kann und man verliert seine gesunde Mitte.

Da kam die Entwarnung im Oktober 2011, mit deutlich gefallenen PSA-Werten und einen unveränderten Ultraschallbild der Leber, gerade rechtzeitig um wieder die nötige Gelassenheit für die Wintermonate zu finden:

„Ich leb`, weiß nit wie lang,
Ich sterb` und weiß nit wann.
Ich fahr`, weiß nit wohin.
Mich wundert, daß ich fröhlich bin.†œ

Warum sollte ich nach den wieder gefallenen PSA-Werten eine aktive Überwachung einleiten, die mich alle 12 oder 18 Monate dem Risiken einer Biopsie aussetzt. Jede Biopsie ist eine Verletzung und hat doch relativ wenig Aussagekraft. Auf meine gezielte Nachfrage in einem sehr bekannten Prostatakrebszentrum hieß es, dass eine einzelne Stanze etwas 1 % des Prostatagewebes erfasst. Logisch dass man daher einer „sinnvollen†œ Biopsie 6, 12 oder bei sogenannten Sättigungsbiopsien auch mal 20 Stanzen zuordnet.

Im Prostatakrebsforum kann man immer wieder Berichte Betroffener lesen, denen innerhalb relativ kurzer Zeit die Prostata regelrecht flächendeckend durchlöchert wurde. Am Sommer 2011 schreibt z.B. „r....e†œ aus Bremen:

„PSA-Wert steigt immer weiter, benötige Entscheidungshilfe ...Meine Geschichte geht ja nun schon seit einem Jahr und die ganze Ungewissheit, jedes Mal das Warten auf das Untersuchungsergebnis, geht an die Nerven ...†œ

Es fing bei ihm mit einem PSA-Wert von 4,6 an. Dann folgten Biopsien. 12 Stanzen im September 2010. 18 Stanzen im Dezember 2010, 14 Stanzen im März 2011. Da inzwischen sein PSA-Wert auf 18,14 ng/ml im Juli 2011 gestiegen war, „empfahl†œ ihm sein Urologe eine erneute Biopsie mit 18 Stanzen. Das wären dann, 12 + 18 + 14 + 18, insgesamt 62 Stanzen gewesen.

Ich kann einen solchen Diagnosewahn nur noch als skandalös bezeichnen.

„Ich habe um Bedenkzeit gebeten, da ich das erst mal „sacken†œ lassen muß und hoffe hier eine Entscheidungshilfe zu bekommen†œ, schreibt der Forumsteilnehmer.

Das ist, wie gesagt, kein Einzelfall:
Ein in einem anderen Beitrag im Forum 2011 liest man:
„...nach meiner RPE meinte der operierende Arzt, dass die OP sehr schwierig war, wegen starker Verwachsungen (insbesondere die Trennung vom Darm war kompliziert). Er führte dies damals auf die vielen Biopsien zurück, die ich im Laufe der Jahre über mich ergehen lassen musste
(> 70 Stanzen)...†œ

Solche Berichte sind im Forum keine Seltenheit und wenn ich mir dann das Profil der Patienten ansehe, stelle ich regelmäßig fest, dass die PSA-Werte meist nach den jeweiligen Biopsien rasant ansteigen.

Auf einen Artikel über Vorsorge in der Süddeutschen Zeitung vom 11. März 2011, mit dem Titel „Kerle in Angst†œ, schrieb Dr. O.H. aus P. in einen längeren Leserbrief an die Zeitung u.a. folgendes:

„ ...Nicht nur die Angst, sondern auch logische Gründe und ein Expertenstreit lassen einen daran zweifeln, ob es Sinn macht, sich hier der Vorsorgemaschinerie auszusetzen. .... Auch ist unter Experten strittig, ob bei der Vorsorgeuntersuchung nicht mehr Schaden als Nutzen angerichtet wird. Wenn etwa mit Hilfe des umstrittenen PSA-Tests ein Verdachtsfall gefunden wird, so kommt in der Regel als nächster Schritt die Biopsie. Dabei werden manchmal mehr als 20 Gewebeproben aus der Prostata „gerissen†œ... Wenn man aber den krebs trifft, werden Tumorzellen aus der Prostata über den Darm „ins Freie†œ gezogen. Fragt man Urologen, ob hier nicht das Risiko bestehe, dass es nun zu einer Streuung des Krebses über die Blutbahn kommt, so bekommt man die Antwort, dass man „dieses Risiko vernachlässigen†œ könne. Bisher sei nicht erwiesen, dass dies passiere. Ich frage mich, wie man dies wissen will. Keiner kann doch später beurteilen, das der Auslöser für spätere Metastasen war. Außerdem gibt es Wissenschaftler, die gerade aus diesem Grund dringend vor dieser Biopsie warnen. Die Vorstellung, dass man hier die Prostata wie einen Schweizer Käse durchlöchert und damit erhebliche Blutungen verursacht, lässt auch Laien daran zweifeln, ob nicht hierdurch ein „Haustierkrebs†œ zu einem „Raubtierkrebs†œ gemacht wird....†œ

Dass solche Bedenken keine Hirngespinste von Angsthasen sind, sondern durchaus reale Gefahren sind, beweist mir eine Untersuchung über die im „Journal of Urology†œ der American Urological Association mit dem Titel „NEEDLE BIOPSY ASSOCIATED TUMOR TRACKING OF ADENOCARCINOMA OF THE PROSTATE†œ berichtet wurde und die aus dem Departement of Urology and Pathology der John Hopkins University School of Medicine, Baltimore stammt. In dieser Untersuchung wurden 350 Vorsteherdrüsen, die vor der Radikaloperation biopsiert worden waren, auf Tumorstreuung durch Biopsie untersucht;
„we decided to investigate the incidence and clinicopathological feature of needle biopsy associated tumor tracking.

Allein schon die Erklärungen unter den abgedruckten Fotos von untersuchten Geweben sprechen Bände:
Fig. 2: Single smal nest of tumor tracking away from biopsy site...
Fig. 3: …These nests of tumor are several histological sections distant from main tumor mass
and are only site of capsular penetration in this case …†


Fig 4: A) extensive fibrosis with hemosiderin was seen in area of biopsy site. Fibrotic biopsy
site contained focus of high grade carcinoma, which only site of capsular
pentration in this case.
B) higher magnification reveals poorly differentiated adenomcarcinoma of prostate
within fibrotic needle biospy site showing hermosiderin deposition.
Fig 6: A) needle biopsy site in area distant form tumor demonstrates tracking of benign glands
within fibrotic needle track
B) higher magnification shows several benign glands within fibrotic needle track

In der †œDiscussion† (Fazit) der Untersuchung ist dann zu lesen:
„Implantation of tumor along a needle biopsy track is a recognized potential complication of this prodedure... All cases have been associated with transperineal needle biopsy and has presented as a clinically discrete nodule ranging in size from 0,3 to 5 cm with an average latenca following biopsy of 16 month…

In einer Tabelle hat man sogar den jeweiligen Gleason Score für die Biopsie, die Postatektomie und für den in den Stichkanal gestreuten Tumor abgedruckt, wobei auffällt, dass die drei Werte jeweils fast identisch sind. Während man weiter angibt, dass es vor dieser Untersuchung nur vier andere Studien gegeben hat, die eine Streuungsgefahr durch Biopsie bestätigt haben, wird ausführlich daraufhingewiesen wie schwierig es überhaupt ist einen solchen Nachweis zu erbringen:

„...Furthermore, our detection rate of needle biopsy tracking was improved as a result of our abilty to distinguish microscopically those cases of needle biopsy tracking from those in which the confounding presence of conventional tumor capsular pentration was present. It is for this reason that tumor tracking due to transrectal biopsy has probably never been reported, since clinically one cannot distinguish needle biopsy tracking following transrectal biopsy from nonbiopsy related direct extension of prostate carcinoma posteriorly into the perirectal soft tissue…

In der Folge erwähnt der Untersuchungsbericht, dass andere Studien eine Tumorstreuung nur bei hohen Tumorgraden festgestellt haben und fährt dann fort:

„... however, our data demonstrate that it is not rare to find microscopic seeding within the needle biopsy track in patients with lower clinical stage disease as well … We also identified rare cases of minimal implantation of benign glands and copora amylacea into the periprostatic soft tissue. These finding suggest that seeding is neither limited to high grade tumor nor necessarily to neoplastic cells … Our data suggest that subclinical seeding is a more prevalent process than was formerly believed. In particular, tumor seeding within the needle track can occur following transrectal biopsy, a phenomenon that has never been previously recognized.

Furthermore, our study also demonstrates the novel finding of seeding following the thin needle biopsy gun technique. It is noteworthy tha 3 of our 7 patients with needle biopsy tracking had tumor penetration limited to the needle biopsy tack, upstaging the disease
from pathological stage B to pathological stage C. In addition, the needle biopsy track component closely approached the soft tissue margin of resection in several cases.

These findings have potentially significant implications in light of recent proposals advocatin serially mapping of prostate cancer using the small caliber gun needle with potentially conservative oberservation of smaller tumors… Given the relatively short-term intervals

between the needle biopsies and the detection of tumor seeding in the radical prostatectomy specimens seen in the current study, our findings raise concern over the potential long-term risk of tumor tracking in patients who might be followed for many years with conservative therapy following needle biopsy of carcinoma of the prostate.

Der Text dieser Untersuchung lässt keinen Raum für Zweifel daran, dass durch eine Biopsie die Gefahr einer Tumorstreuung gegeben ist. Trotzdem bekommt der Patient von dieser Gefahr nichts zu hören. Ich habe diese Frage bisher einem guten Dutzend Urologen gestellt. Bis auf eine einzige Ausnahme, wurde meine Frage immer mit wenigen lapidaren Sätzen mehr oder weniger unwirsch vom Tisch gefegt.

Eine erneute Anfrage im Mai 2011 (nach meiner Leberuntersuchung) an den Krebsinforma-tionsdienst in Heidelberg brachte wiederum eine ausweichende Antwort:
„..Hier gibt es keine Hinweise darauf, dass verschleppte Tumorzellen für den weiteren Krankheitsverlauf eine Rolle spielen ...†œ

Fachleute, die es besser wissen müssten und wohl auch wissen, geben das vorhandene Wissen dem Patienten nicht preis oder stellen sich scheinbar unwissend. Dabei gelingt es mir immer wieder Studien zu finden, die ganz klar signalisieren, dass in vielen urologischen Praxen nicht mit offenen Karten gespielt wird.

Was ist das für ein betrüblicher und gefährlicher Stand der Medizinethik, der erlaubt, dass man Patienten wesentliche Informationen vorenthält? Sind wir teilweise noch im antiken Griechen-land, wo Platon seinen Philosophenherrschern die „edle Lüge†œ empfahl als „Arznei†œ für das unkundige Volk. Damals wurde noch angeregt den Bürgern Fabelgeschichten zu erzählen um die soziale Ungleichheit in der Polis zu rechtfertigen. Es sollte heutzutage doch Konsens sein, dass nur der wirklich selbstbestimmte Entscheidungen treffen kann, der über die Realität im Bilde ist.

Eine amerikanische Studie von drei urologischen Kliniken hat den Titel:
„Influence of sectant Prostate needle biopsy or surgery on the detection and harvest of intact circulating prostate cancer cells†œ.

In dieser Studie wird festgestellt, dass Prostatazellen, die man vor einer Biopsie nicht im Blutkreislauf feststellen konnte, nach einer Biopsie sehr wohl im Blutkreislauf fand:

„We provide evidence that intact prostate cells can be shed into the circulation following routine sextant prostate needle biopsy or surgery… the fate or metastatic potential of the harvested cells is unclear … the clinical significance remains unknown und will require further study..†

Eine weitere Studie vom Walter Reed Army Medical Center, Washington D,C. hat den Titel:
„RISK FACTORS FOR PERINEAL SEEDING OF PROSTATE CANCER AFTER NEEDLE BISOPSY†œ

Auch in dieser Studie konnte man für diese Art der Biopsie, die insgesamt geringere Komplikationen hat weil sie über den Damm ausgeführt wird, die Gefahr einer Tumorstreuung feststellen:

„Autopsies performed in 3 of 6 cases demonstrated widespread metastases. Residual perineal disease was present despite previous wide local excision.. Burkholder and Kaufman
stated that highly anaplastic tumors are most likely to seed … Blackard and Associates went a step further und advocated closer follow up of poorly differentiated patients after biopsy…

Recently Brausi and associates again reaffirmed that patients with poorly differentiated tumors should be followed carefully on a monthly basis für 1 year after perineal biopsy. Undifferentiated primary tumor also appears to be a substantial risk faktor for perineal seeding. However, any grade of tumor can manifest perineal seeding as demonstrated from our experience…†

Das Tagebuch ruht seit einigen Jahren, da ich von einem Forum Nutzer mit einer beleidigenden E-Mail beschimpft wurde. Ich habe anderes zu tun, als mich mit solch nicht begründeten Beschimpfungen auseinanderzusetzen.
Gelegentlich werde ich mein Tagebuch nur um die reinen Fakten einer Behandlungsumstellung ergänzen.

       
01.10.2004 13.30 06.08.04
Nachtrag Oktober 2004:

Meine PSA Werte haben sich seit November 2002 wie folgt entwickelt:

Januar 2003 Gesamt PSA = 8,3
Mai 2003 Gesamt PSA = 8,9
September 2003 Gesamt PSA = 10,0
Oktober 2003 Gesamt PSA = 9,5
Dezember 2003 Gesamt PSA = 8,6 †“ Freies PSA = 1,1 †“ Quotient = 0,13
April 2004 Gesamt PSA = 9,0
Juli 2004 Gesamt PSA = 12,4
August 2004 Gesamt PSA = 12,8

Nachdem mein Urologe das Labor gewechselt hat, wurden die nachfolgenden PSA Werte nach der Methode: Architect, Firma Abbott ermittelt:

Der plötzliche PSA Anstieg auf Werte von über 10 ng/ml hat mich natürlich überrascht. Nun haben meine PSA Werte den sogenannten Graubereich verlassen. Was nun?

Im Gespräch mit meinem Urologen stellt sich heraus, dass er das Labor wechseln musste. Das Bürgerhospital Frankfurt hat die Urologie aufgelöst und das Labor nahm keine Blutproben von niedergelassenen Urologen mehr an. Meine PSA Wert von Juli 2004 und der Kontrollwert vom August 2004 wurden von einem Labor in Mainz / Ingelheim ermittelt. Wie sich im weiteren Verlauf des Gesprächs ergab, war mein Anstieg der PSA Werte kein Einzelfall. Auch die PSA-Werte anderer Patienten aus der Praxis meines Urologen waren nach dem Laborwechsel durchweg erhöht.

Ich hatte vorher schon gehört, dass PSA Werte je nach Labor und Messmethode unterschiedlich ausfallen können. Als Laie wundert man sich natürlich darüber, dass man dem PSA Wert viel Bedeutung beimisst und sogar Entscheidungsgrenzwerte festlegt, obwohl es offensichtlich nicht einmal einheitliche Messverfahren gibt und daher die analytische Zuverlässigkeit zu wünschen übrig lässt.

Um herauszufinden ob meine PSA Werte real gestiegen waren oder ob der Anstieg lediglich
auf ein neues Messverfahren zurückzuführen sei, ist es mir schließlich gelungen über die urologische Abteilung eines Krankenhauses eine PSA Bestimmung bei meinem alten Labor durchzuführen zu lassen. Das Ergebnis war leider ernüchternd:

Gesamt PSA = 13,3.

Der Urologe des Krankenhauses riet mir zu einer weiteren Kontrollbestimmung. Vorher sollte ich aber 10 Tage lang den Gyrasehemmer „Ciprobay†œ nehmen um eine evtl. bestehende Entzündung ruhig zu stellen. Ich habe dies mit meinem Urologen besprochen. Mein Urologe
hat mir nach nachdrücklich davon abgeraten „Ciprobay†œ zu nehmen, da es keinerlei Hinweis auf eine Prostatitis gäbe.

Meine Vorbehalte gegen eine Biopsie waren durch die höheren PSA Werte natürlich nicht ausgeräumt. Weiteres ruhiges „Abwarten und Beobachten†œ war in Anbetracht der hohen PSA
Werte aber auch nicht angesagt. Mein Urologe riet mir zwecks weiterer Abklärung zu einer transrektalen Ultraschall Untersuchung in einem Krankenhaus.

Am 16.09.2004 stand ich einem sehr jungen Arzt gegenüber, der vehement den Kopf schüttelte als er von meinen bisherigen PSA Werte hörte und überhaupt nicht verstehen konnte, dass bei mir noch keine Biopsie gemacht worden war. Er versuchte mir klar zu machen, dass eine Biopsie völlig ungefährlich sei ; „alle Studien seien sich einig †“ null Gefahr†œ.

Auf meinen Einwand, dass ich gleich mehrere Studien nennen könnte, die zu einem anderen Ergebnis kommen, tönt es immer noch selbstbewusst zurück, dass dies bei anderen Krebsarten der Fall sein könnte aber definitiv beim Prostatakrebs nicht. Als ich ganz konkret werde und bemerke, dass z.B. J.E. Altwein das Risiko einer Tumoraussaat durch Biopsie mit
2 % beziffert, kommentiert er das mit „unmöglich, ein solch großes Risiko wäre unakzeptabel†œ.
Im übrigen solle ich mich von den Selbsthilfegruppen fernhalten, da dort nur negativ eingestel-lte Leute auftauchten und die Patienten mit ihren pessimistischen Reden verunsichern würden. Die Patienten, die erfolgreich operiert worden wären, hätten ja keinen Grund mehr in eine Selbsthilfegruppen zu gehen und folglich würden dort nur die Unzufriedenen den Ton angeben.

Im TRUS-Bericht stand dann u.a. folgendes:
„D: dringender V.a.P-Ca. ..... Suspekter TRUS: .... P. mit Ausnahme eines kleinen Areals allseits scharf begrenzt ... z.T. ausgedehnte Verkalkungen a.d. Zonengrenze li. ... ca. 1x1 cm suspekter Knoten links / Mitte o.a. Zonengrenze .... bei suspektem TRUS zu PE geraten.

Insgesamt habe ich mich ca. 1 ½ Stunden in diesem Krankenhaus aufgehalten. Gut ¾ der Zeit saß ich wartend in dem fensterlosen Behandlungsraum oder lag wartend auf dem Behandlungsstuhl, während ich durch die teilweise offene Schiebetür die Hektik und Diskussionen in den angrenzenden Räumen mitverfolgen konnte. Es würde zu weit führen hier diese Eindrücke zu schildern, zumal meine vorurteilenden Wahrnehmungen durch meine kritische Grundeinstellung sicherlich sehr subjektiv ausfallen würden. Mein Gefühl war nach Verlassen dieses Krankenhaus aber eindeutig. Hoffnung auf Heilung würde ich von einer Behandlung in diesem Krankenhaus nicht erwarten.

Was das Allgemeine angeht, so ruft der Diagnosebericht des Arztes Unmut hervor. Ärgerlich ist, dass mir der Bericht im verschlossenen Umschlag für meinen Urologen übergeben wurde. Ich erwarte von einem Arzt, dass er mit dem erwachsenen Patienten über seine Diagnose spricht und nicht nur über den Patienten hinweg mit Kollegen verschlüsselt kommuniziert.

Ich habe den Bericht meinem Urologen natürlich ohne Umschlag übergeben, nachdem ich die Diagnose entziffert hatte. Dass der Bericht in einer sehr nachlässigen und teilweise fast unleserlichen Handschrift geschrieben wurde, kann man noch hinnehmen. Wenn man allerdings die Formulierung: „dringender V.a.P-Ca.†œ ließt, ist es einem zum Lachen und zum Weinen. Offensichtlich hat der naive Berichtschreiber schon einen „vorwitzigen†œ Patienten vorausgeahnt; allerdings auch einen ziemlich naiven Patienten, dem er den Begriff „dringender†œ noch verstehen lässt, aber das scheinbare Geheimwort „V.a.P-Ca†œ in seinem Inhalt verheimlichen will. Zu solchen Heilern kann ich kein Vertrauen aufbauen und daher fällt auch gleich auf deren Diagnose ein Schatten.

Mein Urologe, zu dem ich viel Vertrauen habe, weil er Probleme nicht schön redet, sondern mit mir offen und wahrhaftig auf Augenhöhe bespricht, hatte mir zu verstehen gegeben, dass sein
Ultraschallgerät nur bedingt aussagekräftig ist und mir deswegen die transrektale Ultraschall-untersuchung im Krankenhaus empfohlen.

Das war für mich der Anlass mich auch mal damit zu beschäftigen, welche Erkenntnis eine Ultraschallbild überhaupt liefern kann. Mit Ultraschall bekommt man problemlos ein Bild vom Innern des Körpers, aber ... genaues kann man trotzdem nicht sagen und schon gar nicht, ob die verdächtigen Stellen Krebs bedeuten. Es ist sogar möglich, dass man auf dem Ultraschall-bild überhaupt nichts Verdächtiges sieht und - der Laie spitzt verwundert die Ohren - trotzdem ist die ganze Prostata voller Krebszellen.

Wenn man sich noch näher damit beschäftigt, muss man feststellen, dass noch mehr im argen liegt. Wenn diese Ultraschallbilder, die heute fast in jeder Arztpraxis auf dem Bildschirm flimmern, überhaupt etwas aussagen können, dann ist erst mal Voraussetzung, dass die Geräte technisch einwandfrei arbeiten und der untersuchende Arzt fachlich in der Lage ist die Bilder richtig zu deuten. Beides ist aber leider viel öfter, als der Laie annehmen würde, nicht der Fall. Viele Ärzte haben nicht die Ausbildung und Qualifikation und viele der heute eingesetzten Apparate sind zudem älter als 10 Jahre und gehören ins Museum und nicht in die Praxis; so die DEGUM †“ Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin.

Wenn man dann noch die Feststellung der Siemens AG ließt, dass 95 % der Ultraschallgeräte, nach der Anschaffung nie mehr einer Wartung unterzogen werden, dann muss man sich als Patient fragen, was beim Einsatz solcher Geräte im Vordergrund steht, der Verdienst oder der Patient. Schon nach drei Jahren, so der Techniker Bernd Schnackenberg von der Siemens Abteilung Ultraschalldiagnostik, sind die Geräte eigentlich unbrauchbar. Die Kristallstruktur der Schallköpfe, die den Ultraschall erzeugen und wieder aufnehmen, sind einem Verschleiß unterworfen, der schon nach wenigen Jahren die Bildqualität um 30-40% verringert. Diagnosen mit Ultraschallgeräten, bei denen die Schallköpfe nie ausgetauscht wurden, sind daher schlicht als medizinischer Pfusch anzusehen. PHILIPS preist seine Ultraschall Geräte in großen Anzeigen mit dem Slogan: „sense and simplicity†œ an und führt aus:
„Ein großer Fortschritt †“ denn die Ärzte können die Dinge sehen, wie sie wirklich sind. Ein gutes Beispiel für lebensnahe Technologie, die Sinn macht.†œ
Angesicht der Wirklichkeit reibt man sich die Augen.

Allerdings, diese bedenklichen Grauzonen der Medizin dürfen mir nicht den Blick verstellen dafür, dass ich vermutlich ein handfestes Problem habe, nach dem meine PSA Werte den grauen Bereich von gut oder böse verlassen haben.

Es trifft sich gut, dass ich aus meinem Bekanntenkreis einen Hinweis erhalte, dass eine „Klinik für Prostata-Therapie†œ im Oktober 2004 einen Tag der Offenen Tür veranstaltet, bei der die HIFU-Theraphie als „Meilenstein in der nicht invasiven Technik der Behandlung des PCa†œ vorgestellt wird †“ eine Therapie die als „nebenwirkungsarmes und berührungsfreies Verfahren höchsten Stellenwert besitzt†œ.

Also, wenn meine PSA Werte ein PCa nahe legen und eine Biopsie unausweichlich wird, dann will ich auch wissen, welche Therapie der Biopsie bald folgen soll. Um das herauszufinden, war mir kein Weg zu weit. Diagnose Prostatakrebs, was tun?, heißt es in der Broschüre, die mir in die Hand gedrückt wurde und weiter:
„Radikaloperation, Bestrahlung, Implantation von strahlenden Teilchen sind nach Meinung vieler Patienten mit viel zu hohen Risiken und einer unter Umständen drastischen Einschränkung der Lebensqualität verbunden. Abwarten erscheint vielen zu risikoreich. Eine Primartherapie, möglichst schonend und risikoarm, ist also anzustreben†œ.

Na bitte, das hört sich doch gut an und das ist nicht nur die Ansicht von Patienten, sondern offensichtlich auch die Meinung der einladenden „Klinik für Prostata-Therapie†œ.

Die Vorteile der HIFU-Therapie stellen sich auf Papier auch überzeugend dar:
· Ohne Operation
· Ambulante Durchführung möglich
· Keine wesentlichen Einschränkungen der Lebensqualität
· Erhaltung der Sexualfunktion, da die Potenz in den meisten Fällen unbeeinflusst bleibt
· In der Regel keine Beeinträchtigung des Schließmuskels.

Na prima, denkt man sich und nimmt erst mal die chaotischen Zustände hin, dass Besucher in dreistelligen Zahlen in die Praxisräume strömen und versuchen in dem zum Diavortragsraum unfunktionierten Wartezimmer, das bestenfalls 50 Personen fasst, Platz zu finden.

Was dann folgte, war für mein Empfinden eine PR-Veranstaltung, sprich Patientenbeschaffung, bei der keineswegs die Patienteninformation im Vordergrund stand. In einem der heute üblichen Power-Point „Vorträge†œ gab es schöne Bildchen, garniert mit so viel positivem Text und Kommentar, dass viele offensichtlich einfältige Besucher nachher nur noch zu fragen wagten: „Wie groß ist die OP-Warteliste? - Wann kann ich spätestens operiert werden? - Welche Kosten übernehmen die Krankenkassen†œ. Die ganz wenigen kritischen Fragen, u.a. auch zur Gefährlichkeit der Biopsie, wurden „professionell†œ kurz entschärft. Bei der Biopsie gibt es angeblich keinerlei Gefahr einer Krebszellenstreuung. „Es gibt keine Studie, die da je etwas in der Richtung festgestellt hat†œ, Punkt!

Frage: „Welche Nachteile hat HIFU?†œ Antwort: „Es gibt keine Nachteile, wenn ich ehrlich bin!†œ

Ich saß wie gebannt auf meinem Platz und habe mir alle Darbietungen, die wegen des großen Andrangs im Schichtbetrieb abgewickelt wurden, trotz Platzmangels mehrmals angesehen und angehört. Ich kam weder auf die Beine, noch habe ich den Mund zu einer Frage aufgekriegt, einfach weil ich von einer Antwort keine Information erwartete. Ich verließ dann konsterniert die „Klinik†œ, als anschließend Sekt floss und das Vernissage Publikum in die Praxis strömte, um sich die am selben Tag angesetzte Kunstausstellung in den selben Räumen anzusehen.

Für mich war diese Veranstaltung eine Farce mit hohem Gefahrenpotential. Erstaunlich, dass viele Besucher von sehr weit, aus anderen Bundesländern, angereist waren und erstaunlich auch, wie uninformiert und unkritisch viele Besucher dieser Veranstaltung waren. Die Therapien wurden teils wie Produkte auf einer Kaffeefahrt angeboten. Man scheute sich nicht einmal die Konkurrenz anzuschwärzen. Das eigene HIFU-Gerät gehörte natürlich zur allerneuesten Generation und das der Konkurrenz ... na ja, von dort habe man schon manch schlechte Nachrichten gehört ... dort könne man die Behandlung nicht auf dem Bildschirm verfolgen und so behandele man dort mehr oder weniger ohne Sicht, sozusagen blind. Wie gefährlich das sein könnte, bekommt man gleich drastisch vor Augen geführt, da man das HIFU-Gerät nur etwas falsch zu halten braucht und schon habe man ein Loch in der Darmwand.

Auch die Radikaloperation durch die Chirurgen wird von Chef persönlich kontrastreich geschildert. Die zu erwartenden Nachteile fallen viel deutlicher als sonst aus. Die Impotenzverlustquote wird voll mit 100 % angesetzt und die Inkontinenz fällt mit gut 10 bis 15 % auch doppelt bis dreifach höher aus, als ich es von anderer Seite zu hören bekam.

HIFU dagegen ist ein Spaziergang und vor allem neu, modern und der derzeitige Stand der medizinischen Wissenschaft. Um den Eindruck noch zu verstärken, dass man doch bei einer so bedrohlichen Krankheit wie Krebs die beste Therapie brauche und sich nicht rückwärts orientiert, scheut man sich nicht, auch noch ein lustiges Anekdötchen á la Kaffeefahrt einzustreuen. Bei den Hebräern habe man sich in biblischen Zeiten bei Harnverhalten ein von Huren gesponnenes Garn um den Penis gewickelt und dann Läuse an die Eichel gesetzt. †“ Na, da kam Freude auf und in der gelockerten Stimmung konnte man auch einen Greenlight-Laser anbieten, der gutartige Vergrößerung leicht und locker beseitigt und nicht mehr belastet als ein „unangenehmer Zahnarztbesuch†œ.

Für mich erstaunlich war auch der berichtete Fall, dass man bei einem Patienten ein HIFU-Behandlung durchführte ohne vorher durch Biopsie abzuklären, ob überhaupt ein PCa vorlag.
Ich hatte bereits vorher mit meinen Urologen die Frage erörtert, ob ich, in Anbetracht meiner erhöhten PSA Werte ohne vorherige Biopsie eine Hormonblockade machen könnte. Er meinte dazu, dass kein Arzt solch eine Vorgehensweise akzeptieren würde.

Keine Frage, nach diesem aufschlussreichen Tag der Offenen Tür war für mich das Thema HIFU zumindest vorerst erledigt zumal danach mein Urologe von einem Patienten berichtete, der nach einer HIFU Behandlung sofort mit dem Notwagen zur weiteren Operation ins Krankenhaus musste.

Bei der PSA Bestimmung im Oktober 2004 bestätigte sich mit 12,5 ng/ml erneut der hohe Wert vom Juli und August 2004.

Klar dass ich mich nun noch konsequenter um Informationen zwecks Entscheidungsfindung bemühen muss. Ich fand ein weiteres Buch von Julius Hackethal „Keine Angst vor Krebs†œ, das sich nur mit dem Prostatakrebs befasst. Ich las das Buch mehrmals aufmerksam durch und verglich es, wo immer es ging, mit anderen Arbeiten, die ich inzwischen in der Bibliothek der Uniklinik fand.

Diese Gegenüberstellung zeigt mir erneut deutlich, das die Ausführungen von Hackethal durchaus ernst zu nehmen sind und dass meine Vorbehalte nicht nur angstbestimmt sind, sondern durchaus einen ganz realen Hintergrund haben. Vieles wird so kontrovers diskutiert, dass sich für den Laien kein klares Bild von gut oder schlecht gewinnen lässt.

Hackethal schreibt z.B.:
„ Es wird nie gelingen, den Bösartigkeitsgrad eines Krebses mit dem Mikroskop zu erkennen, denn letztlich steht und fällt der Bösartigkeitsgrad mit den Abwehr- und Kompensations-möglichkeiten des Gesamtorganismus.†œ
....
„Praktisch alle Pathologen, die sich mit dem stummen Prostatakrebs beschäftigt haben, mit dem Haustierkrebs also, kommen zu der Feststellung, dass sich das mikroskopische Bild der
Prostatakrebsmetastasen in keiner Weise von dem der stummen Krebse unterscheidet .†œ
....
„Die Betrachtung der Gestalt im Raum †“ also des zweidimensionalen mikroskopischen Bildes †“ erlaubt aber keine Aussage oder gar Voraussage über deren Verhalten .... Das morphologische Substrat der Geschwülste und ihrer Bestandteile steht zum biologischen Verhalten, insbesondere zur Dynamik des Tumorgeschehens (=Wachstumsgeschwindigkeit) in keiner ersichtlichen Relation. Damit sind dem Grading (=Einstufung) der Tumorgüte mittels Mikroskop Grenzen gesetzt, von denen jenseits die Prophetie beginnt†œ (Zitat, Prof. H. Oeser, Radiologe, Berlin).

....
„Für den Einzelfall ist es jedenfalls nicht möglich, aus dem mikroskopischen Bild eine zuverlässige Vorhersage darüber abzugeben, ob ein Haustierkrebs oder eine Raubtierkrebs vorliegt.†œ

In einer anderen Arbeit finde ich den Satz: „Ein patho-histologischer Krebs ist noch lange kein biologischer Krebs†œ.

Aus einer kontroversen Diskussion aus der Schweiz entnehme ich folgende Bemerkung des Züricher Arztes Dr. Huber:
„Etwas Suchen und etwas Finden muss immer dazu führen, dass man auch etwas Sinnvolles machen kann. Das weiß man bei der Prostata aber noch nicht, ob das etwas bringt. Es gibt weltweit laufende Studien, die genau diese Frage untersuchen. Bis heute kann man nicht sagen, ob die Prostata-Vorsorgeuntersuchung einen Vorteil bezüglich Überleben oder Überlebensqualität überhaupt etwas bringt.†œ
....
„..., das ist eben das Problem, dass man mit dem PSA Screening nicht unterscheiden kann, welche Patienten tatsächlich eine Beeinträchtigung durch den Krebs erleiden werden.....
„Das Einzige, das wir über das PSA-Screening mit Sicherheit wissen, ist, dass es einen potentiellen Schaden setzt und dem Mann möglicherweise schadet.†œ

Dazu eine Zahl die laut Kerbel & Folkman 2003 zitiert wird:
„80 % der Männer haben bei der Autopsie Prostatakrebs-Zellen, 7 % entwickeln Prostatakrebs, 3 % sterben an ihm†œ.

Fazit: Bei der Operation ist der Flurschaden sicher, der Heilungserfolg aber fraglich.

In der Zeitschrift „Urologe†œ Band 42, Nummer 9, Seite 1172 †“ 1187, vom September 2003 ist
unter der Überschrift: „Serummarker in der Früherkennung ... Eine Bestandsaufnahme aktueller und zukünftiger Marker†œ u.a. zu lesen:
„Darüber hinaus †“ ein einmaliges Charakteristikum des Prostata-CA †“ entwickeln zwar 30 †“ 40 % aller Männer ein Prostatakarzinom, jedoch nur 9 †“ 11 % eine klinisch signifikante Tumorlast und noch weniger, 2,5 †“ 4 % aller Männer, versterben an einem Prostatakarzinom. Mit anderen Worten sind der überwiegende Teil aller Karzinome für die Lebenserwartung des Betroffenen ohne Bedeutung und müssen daher u.U. weder diagnostiziert noch behandelt werden†œ.

Wenn das die Diskussion unter Fachleuten ist, was soll der Laie dem entnehmen?

In einem Artikel „Feste Burg †“ Risikoreichtum und die Metaphysik des Versicherungswesens†œ vom 25.01.2005 (Frankfurter Rundschau) schreibt der Prof. für Neugermanismus und Medientheorie an der UNI Bochum, Manfred Schneider, u.a.:
„Die Menschen denken und handeln nicht nach Risiken, sondern nach Gefahren. Unsere Sinne und Instinkte sind für Gefahren ausgebildet, nicht fürs mathematische Kalkül†œ.

Diese These trifft den Nagel auf den Kopf, wenn ich man sich die Entwicklung der PCA Medizin der letzten Jahrzehnte einmal genauer betrachtet. Je mehr man nach der krankmachenden Gefahr sucht. desto mehr potentielle Gefahren findet man und desto mehr wird operiert, um angeblich zu heilen. Man hat leider den Eindruck, dass hier häufig Milchmädchenrechnungen aufgebaut werden, die vor lauter Vorfreude, sprich Vorsorge, nicht merken, dass danach die ganze Milch verschüttet wird.

Im BPS Magazin Heft 3 vom Dezember 2004 ist in einer vom Berufsverband der Österreichischen Urologen und Selbsthilfegruppen initiierten Feldstudie zu lesen, dass die jährlichen Erkennungsraten beim Prostatakrebs in Österreich von 1983 bis 1999 um 79 % gestiegen sind und dass folglich im Jahre 1993/1994 der Prostatakrebs den Lungenkrebs überholte. Während in der abgedruckten Grafik, Krebsartkurven für Dickdarm, Lunge, und Magen über die abgebildeten 17 Jahre fallen bzw. in einem Fall nur unwesentlich stiegen, geht die Linie für den Prostatakrebs kontinuierlich nach oben und schießt vom Jahre 1992 steil in die Höhe.

In einer weiteren beeindruckend Grafik (der Steigerungspfeil geht schnurstracks diagonal nach oben), sieht man, dass die Anzahl der radikalen operativen Entfernung der Prostata vom Jahre 1992 bis zum Jahre 2002 um 587 % - fünfhundertsiebenundachtzig Prozent †“ gestiegen ist.

Das scheint mir ein augenscheinliches Beispiel für eine geradezu hemmungslose Aktionswut in der Medizin zu sein. Leider gibt die Felduntersuchung keine Auskunft darüber wie sich die Sterblichkeitsrate beim Prostata in dieser Zeit entwickelt hat. Es scheint mir aber angesichts dieser und anderer Zahlen Grund zu der skeptischen Annahme zu geben, dass die Sterblichkeitsrate eher erheblich gestiegen als erheblich gefallen ist.

Dass zweimal soviel nicht doppelt so gut ist und dass es mit der Annahme, das Gegenteil des Schlechten sei das Gute, irgendwie nicht stimmt, sondern wer das summum bonum will, damit auch schon das summum malum setzt, wie es Paul Watzlawick in seinem Klassiker „Vom Schlechten des Guten†œ darlegt, zeigen auch andere Beispiele, die in einem in Frankreich verlegten kritischen Buch von Dr. W. Becker zur Dauerkrise im Gesundheitswesen zu finden sind.

So ist z.B. die Frequenz der Bypass-Operationen des Herzens in den USA um 600 % höher als in England. Bei gleicher statistischer Häufigkeit von Brustkrebs wird die Amputation der weiblichen Brust in den USA dreimal so oft vorgenommen wie in Schweden. Der Kaiserschnitt ist die häufigste Operation in den USA und wird geradezu routinemäßig. Der zweithäufigste Eingriff ist die Hysterektomie genannte Entfernung der Gebärmutter, die von amerikanischen Frauenärzten jeder Frau beim Erreichen des 40. Lebensjahres vorgeschlagen wird und daher schon als „chirurgisches Geburtstagsgeschenk†œ bespöttelt wird.

Während früher in Deutschland extrem häufig Mandeln (auch meine Mandeln sind weg) und Blinddärme (diese Operation konnte ich, schon auf dem OP-Tisch liegend, noch im letzten Moment verhindern) wegoperiert wurden, sind heute die Herzkatheter-Untersuchungen, die pro Untersuchung 650 € bringen, als das profitabelste Diagnostikverfahren der große Renner. So haben sich in den vergangen 10 Jahren (1993 †“ 2003) die Herzkatheter-Messplätze verdoppelt und folglich sind die Herzkatheter-Untersuchungen heute 3 ½ mal so hoch.

Was hat das mit Prostatakrebs zu tun? Es zeigt den überall im Medizinbetrieb zu beobachtenden Interventionismus und dass vor allem das Tun als aussichtsreich gilt und

weniger das Unterlassen. Gerade beim Prostatakrebs ist die operative Therapie eine höchst belastende Angelegenheit, die auch danach schwerwiegende Nebenwirkungen hat. Das Wort Nebenwirkungen muss man in diesem Zusammenhang schon als Euphemismus bezeichnen.

Hackethal berichtet in seinem Buch „Keine Angst vor Krebs†œ von einer ernüchternden Nutzen- und Schadenrechnung, die der Amerikaner Willet Whitmore in dessen Buch „Cancer†œ unter
der Annahme aufmachte, dass alle Amerikanern über 50 Jahre, die einen Prostatakrebs haben, auch einer Therapie zugeführt würden. Hackethal hat dann dieses Szenario auf die
Zahlen der Bundesrepublik übertragen und statistisch die Folgen errechnet, wenn man die knapp 3 Millionen sich gesund fühlender Männer mit einem Prostatakrebs im Latenzstadium einer sogenannten Radikalen Prostatektomie †“ also der Idealtherapie der schulmedizinischen Krebsstrategen †“ zuführen würde. Es zieht eine Schreckensbilanz mit Hunderttausenden von OP-Toten, Dauernässern und Millionen von Impotenten und wenn seine Zahlen auch nur halbwegs realistisch sind oder waren, dann kann er wohl mit Recht von einem „urologischen Schlachtfeld†œ reden.

Hackethal zeigt im vorgenannten Buch auch anschaulich an Zahlen des Statistischen Bundesamtes wie die Sterberate durch Prostatakrebs hochsignifikant nach 1971 angestiegen ist. Vorausgegangen war 1969 ein internationaler Urologenkongress in Berlin, bei dem die Weichen für die künftige Prostatakrebsstrategie in den Praxen gestellt wurden, so dass am 1.Juli 1971 in der BRD die Vorsorgeuntersuchung als Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen verfügt wurde. Es ist auffallend, wie nach vermeintlichen Fortschritten die Statistiken bezüglich Morbidität und Mortalität eklatant ins Negative umschlagen; siehe auch die oben erwähnten Zahlen nach der PSA Entdeckung.

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang ein Fund, den ich vor einigen Tagen machte. Es handelte sich dabei um die Nr. 7 „Der Spiegel†œ vom 10.02.1965 mit dem Schwerpunkt „Krebs †“ Krankheit des Jahrhunderts †“ „. Dieser Bericht über „Die letzte Seuche†œ erstreckt sich von Seite 74 bis Seite 92, also über 19 Seiten, ohne auch nur ein einziges Mal den Begriff Prostatakrebs zu erwähnen. Lediglich in einer Statistik, die die Häufigkeit der Krebsarten bei je 1000 Männern und Frauen, die an Krebs starben, darstellt, gibt es einen einzigen Hinweis auf Prostatakrebs, indem ein Pfeil auf den Unterleib des Mannes zielt und beschriftet ist mit „Geschlechtsorgane 83†œ. Prostatakrebs war sonst in diesem Themenschwerpunkt Krebs überhaupt keine Thema und rangierte mit der Sterberate von 83 (unter der Rubrik Geschlechtsorgane) von 1000 Krebstoten Männern in der unteren Hälfte, d.h. von den 1000 Männern, die damals an Krebs starben, starben 917 Männern an einem anderen Krebs als Prostatakrebs.

Prostatakrebs, so hat man zumindest als Laie den Eindruck, wurde erst zum großen Thema
als man lukrativ testen (60 Mill. € fließen allein für den PSA Test in der BRD), spritzen, zapfen, filmen, operieren konnte und inzwischen, dem Fortschritt sei es gedankt, mischt der Prostatakrebs ganz vorne in der ersten Liga mit mit verheißungsvollen Steigerungsraten. Prof. Peter Albers von der Klinik für Urologie des Klinikums in Kassel sagte kürzlich auf einer Veranstaltung von Sanofi-Aventis in Berlin:

„Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass das Prostatakarzinom in Deutschland mittlerweile vor Kolon- und Bronchial-Ca der häufigste Tumor bei Männern ist†œ.

Aber immer noch gibt es keine Klarheit ob für diese stürmische Entwicklung der Begriff Fortschritt, Stillstand oder gar Rückschritt der Zutreffende ist. Die große europäische Studie „Randomized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) geht nach dem Buch „Mythos Krebsvorsorge†œ, Seite 165, davon aus:

„dass von 100 diagnostizierten Tumoren sieben zum Tode †“ in wahrscheinlich hohem Alter †“ geführt hätten. Ob in diesen sieben Fällen die Therapie wirklich hilft, ist keineswegs sicher. Die anderen 93 diagnostizierten und behandelten Tumore sind Überdiagnosen, weil sie für den Träger nicht tödlich gewesen wären oder ihm sogar nie Probleme bereitet hätten. Die Schäden, die durch überflüssige Operationen, Bestrahlungen und Hormonbehandlungen an nicht lebensbedrohlichen Tumoren entstehen, sind das mit Abstand größte Problem des
Screenings mit PSA. Denn der Test erkennt ganz überwiegend Tumore in einem frühen Stadium, in dem nicht abgesehen werden kann, wie sicher der Krebs weiter entwickeln wird, so dass alle gleich intensiv therapiert werden.†œ ....

„Bei all den nachgewiesenen Schäden und dem nicht erwiesenen Nutzen klingt es fast zynisch, wenn die Deutsche Krebsgesellschaft in einer Pressemitteilung vom Oktober 2001 über den PSA Test verbreitet: „Betroffene Männer haben damit wesentlich höhere Heilungschancen und ihre Lebensqualität bleibt erhalten.†œ ....

„In der derzeitigen Prostatakrebs-Diagnose, sagt der Stanford Urologie Prof. Thomas Stamey, spielt eher der Zufall als die Wissenschaft eine wichtige Rolle.†œ Eine nüchterne Einschätzung für jemanden, der als einstiger Befürworter des „PSA-Screenings†œ Ende der 80er Jahre mehrer einflussreiche Artikel zugunsten des Tests veröffentlicht hat. Doch mit jedem Tumor, den Stamey herausschnitt und der er anschließenden von Pathologen untersuchen ließ, wuchs seine Skepsis. Sein Fazit heute: „Ich habe ein paar hundert Prostatate entfernt, von denen ich mir wünschte, sie nicht entfernt zu haben.†œ

Seit meinem Umzug an die Nordsee ruht mein Tagebuch.

Weiterführung meines Tagebuches im August 2010 - 5 Jahre nach meinem Umzug.

Die PSA Werte haben sich inzwischen im zweistelligen Bereich etabliert.

Die PSA-Ausrutscher in die zweistelligen Werte, vom April 2004, haben mich angeregt nach neuen Diagnosemöglichkeiten zu suchen und da hörte ich im Frühjahr 2006 vom „Prostat cancer-Gen-3 (PCA3)-Test†œ, der Prostatazellen im Urin untersucht. Über diesen Test wurde behauptet, er sei hochspezifisch für das PCa und zeige folglich im Unterschied zum PSA-Test keine erhöhten Werte durch gutartige Prozesse wie eine gutartige Prostatavergrößerung oder eine Entzündung der Prostata.

Da die anbietende Firma für die Untersuchung einen interessanten Einführungspreis anbot, habe ich nicht gezögert und im Mai 2005 einen PCA-3-Test gemacht, mit folgendem Resultat:
„Bezüglich des Prostatakarzinoms ist der Testbefund negativ.
Es wurden keine hinreichenden Übereinstimmungen des untersuchten Proteoms mit den Proteinmustern des Prostatakarzinoms gefunden (DiaPat-Match 14 %, unterer Grenzwert 40 %).

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist kein Prostatakarzinom vorhanden.†œ

„Tod durch Hoffnungslosigkeit und negative Erwartungen ist eine Steigerung des bekannten Zusammenhangs vom Depression und Herztod†œ,
sagt Peter Henningsen. Leiter des Psychosomatik an der TU, München.
„Schlechte Neuigkeiten fördern schlechte Physiologie†œ,
sagt Clifton Meador von der Vanderbilt-Universität
Der Schaden durch Nocebos ist enorm†œ,
sagt Manfred Schedlowski, Psychologe an der Universität Essen.

Nun, ich war natürlich über das vorgenannte PCA-3-Testergebnis erfreut. Es war also „offensichtlich†œ gut, dass ich trotz im Allgemeinen besorgniserregender PSA Werte bei meiner relativ ruhigen und abwartenden Einstellung geblieben bin, mich nicht voreilige auf Diagnosen einzulassen, die einen Patienten massiv schaden können. Nach dem zumindest vorerst
beruhigenden Testergebnis habe ich mich also zufrieden zurückgelehnt und mir analog zu dem Nocebo-Problem gesagt: „Gute Nachrichten fördern gute Physiologie†œ.

Fast drei Jahre lang habe ich nun die Angelegenheit weiter mit unterschiedlicher aber insgesamt sehr gelassener Aufmerksamkeit beobachtet. Was mich an Informationen weiterhin erreichte, war größtenteils eine Bestätigung meiner bisherigen kritischen Einstellung.

In der „SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG†œ las ich in der Wochenendebeilage am 19./20. Dezember 2009 unter dem Titel:
„Vorsorge dich nicht †“ lebe !†œ u.a.:
„... Seit ein paar Jahren hat die Vorsorge-Industrie die Tumore entdeckt und sich mit Unterstützung von B-Prommis auf die Früherkennung gestürzt. Schön wäre es ja, Krebs zu heilen, indem man ihn früh entdeckt. Doch so einfach ist es nicht. Ein Teil der Tumore wächst so bösartig und schnell, dass frühe Diagnostik und aggressive Therapie nicht das Leben, sondern das Leiden verlängern. Ein zweiter Teil wächst so langsam und harmlos, dass Menschen sie nie bemerken würden. Werden diese milden Verläufe entdeckt, grenzt das an Körperverletzung, denn oft folgen invasive Tests und Behandlungen. Nur bei der dritten Form der Tumore besteht die Chance, Menschen zu heilen, idem der Krebs früh erwischt wird. Immer öfter wird Kritik an einer Vorsorge laut, wenn sie nur Sorgen vorverlegt.

Ärzte wie Patienten lassen sich jedoch kaum von ihrer Euphorie abbringen. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zeigte jüngst, dass Deutsche den Nutzen der Brustkrebsfrüherkennung massiv überschätzen. Nur 0,8 Prozent wussten, dass sich durch den Test die Sterblichkeit nur geringfügig reduziert. Lassen sie sich regelmäßig mammografieren , sterben vier von 1000 Frauen über 50 Jahren an Brustkrebs, ohne Untersuchung fünf von 1000 Frauen. Die meisten Befragten bezifferten den Nutzen viel höher. Für den PSA-Test auf Prostatakrebs fällt der Nutzen noch geringer aus. Transparent berichtet wird über diese Zahlen selten, denn eine riesige Industrie lebt davon †“ und von der Patientenhoffnung ....†œ.

Wie sich mit statistischen Zahlen je nach Interessenlage geschickt jonglieren lässt, kann man an den Daten von der Brustkrebsfrüherkennung deutlich erkennen. Sieht man die Vorteile des Screenings relativ, dann jubeln die Befürworter der Reihenuntersuchungen damit, dass es durch diese Untersuchungen zu einer Reduktion der Sterblichkeit von 25 bis 30 Prozent komme. Das klingt zunächst imposant, aber was bedeutet das wirklich? Die relative Reduktion der Sterblichkeit von 25 bis 30 Prozent bedeutet absolut gesehen, dass nur 1 Frau von den Reihenuntersuchungen einen Vorteil hat. 999 Frauen haben von den regelmäßigen Mammografien keinerlei Nutzen, aber Nachteile. Vier sterben ohnehin an Krebs und die anderen Frauen müssen sich mit einer Menge Falschdiagnosen fertig werden und werden unnötig mit Strahlen belastet, die ihrerseits die Entstehung von bösartigen Veränderungen fördern. Und die alles, man bedenke, bei einer absoluten Risikosenkung durch Mammographie von nur 1 zu 1000 †“ das sind 0,1 Prozent.

Die relative Reduktion der Sterblichkeit von ca. 25 % entpuppt sich als absolute Risikosenkung von 1 Promille. Die Mediziner geben potenzielle Vorteile bevorzugt in Form von relativen Risiken an, während potenzielle Nachteile in Form absoluter Risiken präsentiert werden. Dies lässt Vorteile größer und Nachteile kleiner erscheinen. Wenn man das einmal bemerkt hat,
leidet das Vertrauen in das medizinische System und auch die Glaubwürdigkeit des Arztes. Wenn die Medizin einen mündigen Patienten wollte, dann müsste sie ihm helfen, den Mut zu finden, Ungewissheiten und Risiken zu verstehen und evtl. mit ihnen zu leben. Statistiken müssen also nicht gefälscht sein, um falsch zu informieren. Es genügen unvollständige, einseitige oder verzerrte Maßstäbe in Graphiken, Scheinkorrelationen oder selektierte Stichproben und schon ist das Risikoempfinden trefflich manipuliert. Den Mediziners dürfte das weniger schaden als den Patienten. Also SAPER AUDE! Diesen Mut wird aber nur finden, der die Risiken auch versteht.

Aber nicht nur die Vorsorge gibt zu denken, auch die Therapie nach dem positiven Befund hat ihre Fragwürdigkeiten. Es werden Tumore entdeckt und aggressiv behandelt, die gar nicht weiterwachsen würden und keine Gefahr für das Leben darstellten würden. Das ist besonders beim langsam wachsenden Prostatakarzinom der Fall und die meisten Prostatakarzinome sind nicht lebensbedrohlich.

In „DIE WELT†œ las ich ein längeres Interview mit dem „renommierten Krebsarzt Thomas Cerny über Pfusch und moderne Heilungsmethoden†œ.
O-Ton Thomas Cerny, Präsident der Schweizer Krebsliga und Chefarzt am Klinikum St. Gallen zu Krebs und zu Heilungsmethoden:
„...Es gibt viele Fälle, in denen die einfachsten, die selbstverständlichen Standards nicht eingehalten werden. Das kostet viel Leben ... Das Ganze ist so vielschichtig und komplex, dass es niemals die Sache eines einzigen Spezialisten sein darf. ... Unser Gesundheitssystem belohnt das Machen und bestraft das Nichtmachen. Alles, was unternommen wird, wird bezahlt †“ ob die Therapie richtig war oder falsch, ob gut oder schlecht, danach fragt hinterher keiner mehr. ...für Operationen bekommt die Klinik nun mal das meiste Geld. Je mehr operiert wird, desto mehr Geld fließt. ... Gezahlt wird unabhängig von der Qualität.

Wie fragwürdig selbst jahrzehntelang praktizierte OP-Standards / Routineeingriffe sind zeigt mir ein Bericht, den ich in der F.A.Z. im Februar 2009 unter dem Titel: „Ein Dogma der Krebsmedizin stürzt†œ u.a. las:
„Metastasen im Körper heißt es, können Krebszellen genauso streuen wie der Primärtumor. Deshalb werden Lymphknoten oft radikal entfernt. Das ist falsch, haben jetzt Münchener Forscher klar belegt.
... Die von Dieter Hölzel vom Institut für medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie der Universität München geleitete Forschungsgruppe stürzt ein Dogma der Krebsbekämpfung, indem sie die routinemäßige Entfernung der Lymphknoten, die Lymphadenektomie, als nicht mehr zeitgemäß betrachtet. Ihr Fazit: Lymphknoten metastasieren nicht.

Ich mache mir keine Illusionen derart, dass ich vom Arzt verlange, dass er allwissend ist. Es gibt aber sehr zu denken, wenn sich gar Dogmen der Medizin beim näheren Hinsehen in heiße Luft auflösen, denn schließlich handelt es sich hier um unnötige aber belastende Eingriffe am Patienten. Den Krebspatienten ist also jahrzehntelang eine da facto nicht bestehende Gefahr suggeriert worden.

Daraufhin fiel mir in „DIE ZEIT†œ eine Stellenausschreibung auf, in der die Deutsche Arthrose-Hilfe einen „Narrative Journalisten†œ mit folgender Qualifikation suchte:
„Sie sind ein Meister des Storytelling und mit den Complication-Resolution-Konzepten von Jon Franklin und Robert McKee vertraut. Neben Ihrem großen natürlichen Talent beherrschen Sie die Grundsätze der authentischen Story-Dramaturgie. Sie besitzen einen Sinn für bewegende Schicksale und persönliches Heldentum. Sie können anschaulich, kraftvoll schreiben und erreichen den Leser in seinem Innersten. Idealerweise haben Sie mehrjährige Berufserfahrung als Autor, Drehbuchautor, Gesundheitsredakteur oder Fundraiser.†œ

Nein, wenn es auch gelegentlich heilende Placebo Effekte gibt, Medizin sollte nicht in „Storytelling†œ ausarten. Ich erwarte von einem Arzt, dass er dem Laien fundierte Informationen an die Hand geben kann und anhand gesicherter Fakten die gemeinsame Urteilskraft bemüht
wird, um dann eine für den Patienten möglichst vorteilhafte Entscheidung zu finden. Ich habe den Eindruck, dass dies aber nicht die Regel ist, sondern leider die Ausnahme.

In der Beilage „WOCHENENDE†œ der Süddeutschen Zeitung vom 26./27.09.2009 las ich unter dem Titel: „Die Fakten und die Toten†œ u.a.:
„Viele Ärzte verstehen die Fallen der Statistik nicht und lesen kaum Studien †“ Für Patienten kann das gefährlich werden ... Ärzte schneiden nicht gut dabei ab, wenn sie häufig gestellte Fragen beantworten sollen. Die Stiftung Warentest beauftragte im Jahr 2004 Testpatienten, sich bei Urologen in Berlin zu erkundigen, wie zuverlässig der PSA-Bluttest auf Prostatakrebs sei. Nur zehn Prozent der befragten Urologen gaben die wichtigen Informationen †“ nämlich dass der Test
a) viele Tumore übersieht,
b) oft falschen Alarm gibt,
c) dass längst nicht alle entdeckten Krebsformen behandelt werden müssen und
d) die Therapie häufig zu Inkontinenz und Impotenz führt.
... Der Hang zu guten Nachrichten in der Medizin ist verständlich. Es gibt bei Ärzten wie Patienten einen chronischen Überoptimismus, sagt Gerd Antes, Leiter des Cochrane-Zentrums in Freiburg, das die Qualität medizinischer Daten bewertet. Der potentielle Nutzen einer Therapie oder Diagnostik wird überschätzt, der potentielle Schaden vernachlässigt. Es klingt ja erfreulicher wenn ein Herzmittel die Infarkthäufigkeit um 34 Prozent senkt, als zu erfahren, dass die Gefahr von 3,9 auf 2,5 Prozent und damit nur um 1,4 Prozentpunkte gesunken ist. In zahlreichen Untersuchungen von Mühlhauser und Gigerenzer bewerteten 80 der Ärzte einen Behandlungserfolg als wichtig, wenn sie die relative Risikosenkung erfuhren. Sahen sie die absoluten Zahlen, war weniger als ein Drittel von der Therapie überzeugt†œ,; siehe auch mein oben genanntes Beispiel bezüglich der Mammographie Vorteile, wo sich eine relative Reduktion mit einer zweistelligen Prozentzahl als eine absolute Risikosenkung im Promillebereich entpuppt.

Weiter heißt es in dem Bericht der Süddeutschen Zeitung:
„Auch Politiker greifen zu medizinischen Beschönigungen. New Yorks ehemaliger Bürgermeister Rudy Giuliani ließ in einer Wahlkampagne 2007 verkünden, dass er an Prostatakrebs gelitten habe, aber dass seine Chance geheilt zu werden in den USA 82 Prozent betrüge. >Meine Chance auf Heilung in England mit seiner sozialistischen Medizin? 44 Prozent!< Wie froh der Politiker sein konnte, in New York zu leben und nicht in York.
Giuiliani bezog sich auf Daten, wonach in Großbritannien 49 von 100.000 Männern jährlich die Diagnose Prostatakrebs bekommen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sterben 28 von ihnen, das ergibt in der Tat eine Überlebensrate von 44 Prozent. Allerdings werden in den USA die meisten Diagnosen durch den umstrittenen PSA-Test gestellt, in England hingegen erst, wenn Symptome auftreten. Man stelle sich Patienten vor, die mit 67 Jahren ihre Diagnose bekommen und mit 70 sterben. Ihre Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt null Prozent. Wäre diese Männergruppe mit 60 Jahren getestet worden und mit 70 gestorben, läge ihre Überlebensrate bei 100 Prozent. Sieht statistisch einwandfrei aus, bringt den Männern aber keinen Tag mehr. >Höhere Überlebensraten bedeuten nicht, länger zu leben<, sagt Gerd Gigerenzer, der viele solche Beispiele aufgeschlüsselt hat.

Werden Patienten in die PSA-Tests einbezogen, die an harmlosem Krebs leiden, der nicht wächst, nie Beschwerden verursacht und nie behandelt werden muss, ist die Überlebensrate noch besser. Beide Faktoren trugen dazu bei, dass die Überlebensrate in den USA doppelt so hoch erschien wie in Großbritannien. Dabei sind Männer in den USA keineswegs besser dran. In beiden Ländern sterben ähnlich viele Männer an Prostatakrebs †“ in den USA wissen sie nur früher davon. Wer diese verbreiteten statistischen Tricks nicht kennt, kann schnell in die Irre geführt werden. ...†œ

Der interessante beschönigende Vergleich der Überlebensrate in den USA und Großbritannien durch New Yorks ehem. Bürgermeister Giuliani war mir bereits sechs Monate vorher aufgefallen. Die Philosophischen Gesellschaft Bremerhaven hatte nämlich alle Vorträge des
Jahres 2009 unter das Thema: „Bauchentscheidungen †“ Warum tun wir oft nicht das, was wir für richtig erkennen?†œ gestellt.

Dazu hatten wir im Februar 2009 Prof. Wolfgang Gaissmaier vom Max Plank Institut, Berlin als Referenten eingeladen, der zusammen mit Prof. Gerd Gigerenzer u.a., die Studie: „Helping Doctors und Patients Make Sense orf Health Statistics†œ erstellt hat. Von Prof. Gaissmaier, der mir die in der Association for Psychologcial Science erschienen Studie überließ, habe ich erfahren, dass nicht nur Bürgermeister Giuliani mit seiner Einschätzung über die Qualität der Medizin in England völlig daneben lag, sondern auch der damalige englische Prime Minister Tony Blair auf Gesundheitsstatistiken hereingefallen ist und die Differenz zwischen Überlebens-rate und Sterblichkeitsrate völlig falsch einschätzte.

Als das Büro für Nationale Statistik von Großbritannien berichtete, dass die Fünf-Jahres-Überlebensrate für Darmkrebs in den USA 60 Prozent und in Großbritannien nur 35 Prozent betrug, fanden das die englischen Gesundheitsexperten schmachvoll (disgraceful) und appellierten an das Parlament die Ausgaben für Krebsbehandlungen zu verdoppeln. Tony Blair gab daraufhin als Ziel vor, die Überlebensrate über die kommenden 10 Jahre um 20 Prozent zu erhöhen in dem er sagte: „We don´t match other countries in its prevention, diagnosis and treatment†œ. Fakt war jedoch, dass beim Darmkrebs die Sterblichkeitsraten in Großbritannien mit den Sterblichkeitsraten in den USA ungefähr gleich waren. Auch beim Prostatakrebs war schon die Sterblichkeitsrate, trotz der scheinbar enorm unterschiedlichen Zahlen (82 % versus 44 %), die New Yorks Bürgermeister Giuliani im Wahlkampf präsentiert hatte, mit 26 Toten pro 100.000 amerikanischer Männer gegen 27 pro 100.000 englischer Männer fast identisch.

Auch dieses Beispiel für falsche Risikoeinschätzungen in höchsten Kreisen zeigt mir, dass es ratsam ist, sich vor wichtigen Diagnose- und Therapieentscheidungen umfassend zu informieren, einen kühlen Kopf zu behalten und sich nicht zu voreilig einer Behandlung auszusetzen deren Nutzen und Nebenwirkungen so umstritten und fragwürdig sind, wie das beim Prostatakrebs offensichtlich der Fall ist.

Kants Diktum, dass Aufklärung der Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit sei und Unmündigkeit das Unvermögen, sich des eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen, trifft auch hier zu, allerdings nicht in der rigorosen Form, dass man sich völlig auf seinen eigenen Verstand verlassen sollte. Als Laie kann ich Information nur zusammentragen, sorgfältig nach vermutlicher Glaubwürdigkeit sichten und dann durchdenken. Ich kann also bei meiner Entscheidung nicht auf empirische Erfahrung zurückgreifen und muss daher auch den Rat des praktischen Spezialisten, hier des Arztes, berücksichtigen. Wenn ich allerdings meine Hausausgaben gemacht habe, dann darf ich auch hoffen, dass ein wohlmeinender Fachmann mir hilft den Spreu vom geernteten Korn zu trennen und dass er mir zumindest fundierte Alternativen aufzeigt, die mir eine gutdurchdachte Entscheidung ermöglichen.

Da mein Handeln oder Nichthandeln letztlich mehr oder weniger auch eine Bauchentscheidung ist und sein wird, kommt natürlich Vertrauen ins Spiel. Bisher hatte ich durchgängiges Vertrauen nur in einen Urologen, der mich über lange Zeit sehr gut betreut hat und mit meiner Skepsis recht verständnisvoll umgegangen ist. Dr. Möckel aus Frankfurt a.M. (inzwischen Urologe a.D.), sein Name sei hier ausnahmsweise erwähnt, ist ein Arzt, wie es leider zu wenige gibt. In seinem Sprechzimmer redete nicht der Arzt den Patienten mundtot, sondern da durfte man über seine eigene Gesundheit / Krankheit mitreden und mitdenken. Bei ihm spürte man immer eine offene und warme Atmosphäre, weil dieser Arzt in sich ruhte. Die leider oft anzutreffende Gefühlskälte der modernen Schulmedizin hatte in seiner Praxis offensichtlich keine Chance zu wurzeln.

Es gibt also idealtypische Ärzte und wenn man einem solchen begegnet ist, dann stellt man danach Vergleiche an und hat Ansprüche an ein künftiges Arzt / Patientenverhältnis. Nachdem ich über die Jahre viel Nachdenkliches bezüglich der Prostata gelesen habe, ärgert es mich wie unpräzise und mit wie viel Halbwahrheiten weiterhin von Ärzten in TV- und Radio-Gesundheitssendungen oder in Ratgeberbroschüren scheinbare Patientenaufklärung betrieben wird. Ja selbst Patientenaufklärungsbroschüren, die sich mit dem Logo „Quip†œ (soll heißen: „Qualitätsinitiative Prostatakarzinom†œ) schmücken, enthalten so viele fragwürdige und scheinbare Informationen, dass ich mir als Laie erlaube die Broschüre als insgesamt nicht lesenswert und teilweise sogar als medizinischen Kokolores einzustufen, der eher zur Desinformation als zum mündigen Patienten beiträgt.

Da sich meine PSA Werte in den beiden letzten Jahren (2009 und 2010) stabil zwischen 16,69 und 18,55 bewegen, sich also weit über den sogenannten grauen Bereich von 4 †“ 10 ng/ml hinausbewegt haben, habe ich mich zu einem zweiten PCA-3-Test entschlossen. Das Ergebnis sah diesmal nicht so beruhigend aus:

Auf einer Skala, deren Score bei einem
Wert von < 10 (= 12 % Tumor-Sensitivität) startete
und bei > 100 (= 47 % Tumor-Sensitivität) endete,
wurde mein PCA3-Score mit 250 angegeben.

Welchen praktischen Aussagewert das Ergebnis des Tests hat, der mit einigen Hundert Euro nicht gerade billig war und selbst bezahlt werden musste, versuche ich zur Zeit herauszufinden. Da angeblich ein erhöhter PCA3-Score mit der Tumoraggressivität korrelieren soll, stellen sich mir jetzt natürlich die bisherigen Fragen umso eindringlicher und regen zu einer möglichst realistischen Einschätzung der Situation an:

· Sind die Steigerungen der PSA Werte auf Krebszellen zurückzuführen. Die hohen PSA Werte sprechen dafür. Außerdem weiß man, dass bei der Mehrzahl der über 70 jährigen Männer Prostatakrebszellen vorhanden sind.

· Ich kann also überwiegend davon ausgehen, dass Krebszellen für den erhöhten PSA Wert verantwortlich sind. Frage ist ob es ein Prostatakrebs ist der langsam wächst und zur Zeit noch nicht klinisch relevant ist?

· Ist die klinische Relevanz des Krebses nur mit einer Biopsie festzustellen, oder gibt es auch weniger risikoreiche Methoden?

· Welche Aussagekraft hat das Tempo des PSA Anstiegs?

· Kann der Pathologe am nicht lebenden Biopsiematerial wirklich feststellen welche Relevanz der Krebs für mich hat und haben wird? Mir ist bekannt, dass der Gleason-Score, der als wichtiger Faktor für die Einschätzung der Therapie gilt, von Pathologen überwiegend nicht einheitlich bestimmt wird. Außerdem höre ich, dass ein patho-histologischer Krebs noch lange kein biologischer Krebs zu sein braucht.

· Soll ich also das Risiko Biopsie eingehen, obwohl die anschließende Therapie bezüglich wirklicher Heilung große Fragen aufwirft, bezüglich gravierender Nebenwirkungen aber schon im voraus feststeht, dass die Lebensqualität erheblich abnehmen wird?

Was bringt mir eine ziemlich gefährliche Diagnose und Therapie, die für die meisten Männer mehr Schaden als Nutzen bringt? Die beiden großen internationalen kontrollierten und randomisierten Studien zum Risiken und Nutzen Problem haben gezeigt, dass es jeden Betroffenen ratsam ist sich eingehend mit der Problematik zu befassen.

In einem Medizinreport des Deutschen Ärzteblattes mit dem Titel „Prostatakarzinom - Der PSA-Test eignet sich derzeit nicht zum Sceening†œ. lese ich:
„ Zwei Studien aus den USA und Europa kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Verminderung der Mortalität bei den getesteten Männern†œ.

Die US „PLCO Studie†œ kommt zu dem Ergebnis, dass der Nachweis nicht gelungen ist, dass durch rechzeitige Therapie Menschenleben gerettet werden. In der Screeninggruppe war die Mortalität sogar um 13 Prozent höher als in der Kontrollgruppe. In der Screeninggruppe kam es allerdings zu einem signifikanten Anstieg der Diagnosen um 22 Prozent. Die Studie stellte fest, dass:
„Früherkennung nur zu vermehrten Diagnosen, nicht aber zu einer verbesserten Prognose der Patienten führt†œ.

Man wundert sich also nicht, wenn das US National Cancer Institute und die American Cancer Society ein PSA Screening nicht empfehlen.

Die große europäische „ERSPC-Studie†œ will dagegen unter ihren Screening-Teilnehmern eine um 20 Prozent niedrigere Todesrate festgestellt haben. Verwunderlich ist aber hier, das keine Daten zur Gesamtsterblichkeit mitgeteilt werden. Zudem lässt die Angabe der relativen Risikos den Vorteil vermutlich wieder größer erscheinen als er ist. Im „New England Journal of Medicine†œ blickt man von einer anderen Seite auf die europäische Studie. Dort heißt es z.B.: „Wenn sich 1429 Männer zwischen 55 und 69 regelmäßig PSA-Tests unterziehen, lässt sich damit ein Todesfall durch Prostatakrebs verhindern, drei sterben trotzdem, aber 47 werden zusätzlich operiert oder bestrahlt mit dem Risiko, Kontinenz und Potenz zu verlieren. Ein Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit ist nicht nachweisbar†œ.

In einen Beitrag von PD Dr. H.-H. Dubben, Universitätsklinikum Hamburg, Martinistr. 52, im Deutschen Ärzteblatt lese ich zu einer Studie mit 162.243 Teilnehmern u.a.:
„...Nimmt man die Daten trotzdem ernst, dann zeigen sie, dass auf eine einzige Lebensverlängerung 48 unnötige Überbehandlungen kommen. Mit anderen Worten: Von 49 Personen, die glauben, Früherkennung hätte ihr Leben verlängert, irren sich 48. Ihnen
wurde sogar Schaden zugefügt. Auch die ärztliche Erfahrung wird durch diese 49 dankbaren Männer getäuscht. Etwaige Begeisterung für PCa Früherkennung muss also um den Faktor 49 nach unten korrigiert werden.†œ

49 Männer mussten also behandelt werden um ein Leben zu retten und dabei haben 48 Männer mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Sexualleben mehr und können sich auch nicht mehr weit von der nächsten Toilette entfernen. Sollte man sich über diese sinnlose Operationsflut keine Gedanken machen? Medizinische Befunde und Therapien befinden sich offensichtlich nicht mehr in Übereinstimmung mit dem Befinden des Patienten, dabei sollte Medizin Heilkunst sein.

Bleibt dem Patienten wirklich nur die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub?

Obwohl ich in meinem Fall überwiegend davon ausgehen muss, dass in meiner Prostata Tumorzellen vorhanden sind, bleibt die Frage ob ich mir in Anbetracht der unklaren klinischen Relevanz mit einer Biopsienadel in diese Zellen hineinstechen lassen soll und dadurch

vermutlich eine Kaskade von Tumorzellen in alle Richtungen in Bewegung setze? Ein Tumor von nur einem Millimeter³ besteht schon aus über einer Million Zellen. Ein Tumor von 1 cm³ umfasst über eine Trillion Zellen. Muss man sich eigentlich noch darüber wundern, dass bei den meisten Krebspatienten nach der Erstbehandlung erneut Tumore auftreten. „Leider hat der Primärtumor schon Metastasen gebildet†œ, wird dann der Schulmediziner sagen.

Ich ziehe derzeit für mich folgendes Fazit :
· Ich habe nun seit 10 Jahren sogenannte „erhöhte†œ PSA Werte.
· Die bisherigen drei Diagnosen lauten kurzgefasst: „dringender Verdacht auf PCa†œ
· Trotzdem hatte ich 10 Jahre lang eine gute Lebensqualität.
· Meine PSA Werte sind bisher von 7,5 (1999) auf 18,55 (2010) angestiegen.
· Nach meinen derzeitigen Informationen wird ein niedrig gradiger Tumor erst symptomatisch, wenn eine PSA Konzentration von um 50 ng/ml erreicht wird.
· Würde daher die Verdoppelungsrate meiner PSA Werte das bisherige Tempo beibehalten, dann könnte ich weitere 10 bis 15 Jahre Lebensjahre mit relativ guter Lebensqualität erwarten.
· Warum sollte ich mich also mit 71 Jahren noch einer sehr belastenden und auch sehr fraglichen Radikaloperation unterziehen, die evtl. einen langsam wachsenden Krebs in einen schnell fortschreitenden Krebs verwandeln würde???

Cuxhaven, im August 2010

Im Oktober 2010 steigt mein PSA-Wert weiter, auf jetzt 20,81. Nun ist die Schwelle von 20 ng/ml überschritten. In einem Leitfaden „Prostatakarzinom†œ fällt mir eine grafische Abbildung über die „Wahrscheinlichkeit für ein kapselüberschreitendes Wachstum des Prostatakarzinoms in Abhängigkeit von der Höhe des PSA-Wertes†œ auf. Nach dieser Grafik beträgt die Wahrscheinlichkeit eines kapselüberschreitenden Wachstums bei PSA-Werten von 20 + immerhin 80 %.

Ist das nun eine stetige Entwicklung nach oben, zum Ende hin? Ich muß mich notgedrungen wieder einmal intensiv Gedanken machen wie ich mit den immer bedrohlicher in die Höhe kletternden PSA-Werten umgehen soll.

Im Sommer habe ich von einem Schulkollegen erfahren, bei ihm vor einem Jahr noch höhere PSA-Werte festgestellt wurden, aber die Biopsien bisher negativ waren. Auf mein Bitte schickt er mir Kopien von seinen bisherigen PSA-Werten sowie von den pathologischen Berichten seiner Biopsien zu:

PSA am 22-06-2009 = 80,6 ng/ml
PSA am 19-08-2009 = 74,82 ng/ml
PSA am 15-09-2009 = 89,71 ng/ml
PSA am 11-12-2009 = 81,09 ng/ml

Er folgte dem Rat seines Urologen und ließ sich biopsieren. Die Biopsien im Sommer 2009 und Frühjahr 2010 ergaben:
„Kein Anhalt für Maglinität oder Nachweis einer prostatischen intraepithelialen Neoplasie (PIN) ... mit allenfalls geringer myoglandulärer Hyperplasie und lediglich herdförmiger Atrophie†œ.

Eine Prostatitis war mit zwei Antibiotika Behandlungen ausgeschlossen worden. Mein Schul-kollege fühlte sich pudelwohl und machte sich keine großen Gedanken wegen seiner hohen PSA-Werte.

Ich sagte mir, nun ja, wenn selbst bei solch hohen Werten noch negative Biopsien anfallen, dann warte ich auch weiterhin ab und mache im kommenden Frühjahr erst wieder eine Kontrolluntersuchung und sehe dann weiter. Bis dahin werde ich mal einen Testkur mit Granatapfel Konzentrat machen. Im Prostatakrebsforum hatte ich des öfteren gelesen, das Granatapfelpolyphenole den Prostatakrebs hemmen sollten und die PSA-Verdoppelungszeiten um das drei- bis vierfache verlangsamen sollten.

Bis zum Frühjahr 2011 habe ich also versucht meinem PSA Anstieg mit mehreren Flaschen Dr. Jakob´s Granatapfel-Elixier beizukommen. Wenn es hilft o.k., wenn nicht, dann hat es wohl nur meinem Geldbeutel geschadet.

Mein PSA-Wert im April 2011 ist weder gefallen, noch ist er gleichgeblieben, sondern ist auf 23,36 ng/ml gestiegen. Was nun? Für meinen Urologe war die Sachlage ziemlich eindeutig: „Es wird höchste Zeit, dass sie ihre abwartende Haltung aufgeben und zur Sache kommen†œ. Muss ich jetzt umdenken?

Der Anstieg von
Mai 2010 = PSA 18,55
Okt. 2010 = PSA 20,81
April 2011 = PSA 23,36,
also um 5 ng/ml innerhalb von 11 Monaten ist doch beträchtlich. Bei PSA-Werten im einstelligen Bereich wird schon bei wesentlich geringeren Veränderung innerhalb eines Jahres oft schon Alarm geschlagen und eine Biopsie dringend empfohlen.

Ich lasse daher bei meinem Hausarzt sofort eine Kontrolluntersuchung machen und siehe da, ein anderes Labor kommt, nur ein paar Tage später, zu einem wesentlich anderen Ergebnis:
19,15 ng/ml PSA (im April 2011), ist das wieder etwas beruhigendere Ergebnis. Die Beruhigung war aber leider nur flüchtig, denn der Hausarzt nimmt diese Werte zum Anlass für eine Ultraschalluntersuchung. Dabei wird ein Tumor von 17,2 mm in der Leber sichtbar. Was tun?

Zwecks weiterer Diagnostik schlägt der Hausarzt ein CT vor. Ein CT hätte eine wesentlich höhere Sensitivität als eine Sonographie und würde mehr Klarheit bringen, ob es sich um ein gutartiges Leberhämangiom handelt oder um einen bösartigen Tumor. Da Hämangiome in der Regel nicht entarten, bitte ich um Bedenkzeit. Warum soll ich mich einer erheblichen Strahlen-belastung aussetzen, wenn es vielleicht nur ein gutartiges Geschwulst ist?

Für Ende Mai 2011 habe ich mich bei der hiesigen Prostatakrebs Selbsthilfegruppe zu einem Info-Tag in einem Prostatakarzinomzentrum angemeldet. Ich plane also diese Gelegenheit zu nutzen um mehr Informationen zubekommen. - Meine Frage an den Chefarzt, ob ein Tumor in Leber von einem gestreuten Prostatakarzinom stammen könnte, wird bejaht.

Mit dieser eindeutigen Information gehe ich im Juni 2011 zu meinem Urologen. Ich zeige ihm das Ultraschallbild mit dem Tumor und frage ihn ob dieser in ursächlichem Zusammenhang mit einem evtl. Prostatakrebs stehen könne.

Mit Verwunderung nahm ich zur Kenntnis, dass mein Urologe die gleiche Frage, die ich einige Tage vorher dem Chefarzt des besuchten Prostatakarzinoms gestellt hatte, konträr beantworte-te. Dieselbe Frage, aber sich widersprechende Antworten der beiden Fachleute und der Laie wundert sich und behält den Zwiespalt in sich. Kein Wunder, dass kein hilfreicher Dialog mehr zustande kam. Mein Urologe setzte mir quasi die (Biopsie-)Pistole auf die Brust und als ich dann noch mal den Hackethal erwähnte, hatte ich ganz verspielt. „Gehen sie mir weg mit ihrem Hackethal, der ist doch selbst an seinem unbehandelten Prostatakrebs gestorben ... etc., etc. Es war ein höchst enttäuschendes Gespräch und ich war mir klar, dass ich diesem Urologen kein Vertrauen mehr schenken kann.

Ich weiß, dass allein das Wort Hackethal für manchen Urologen ein rotes Tuch ist. Ich habe aber auch mitbekommen, dass nicht wenige Fachleute die lange kontroversen Begriffe wie Haustierkrebs und Raubtierkrebs, die Hackethal in die Debatte eingebracht hat, durchaus für angebracht halten.

Wie kann man aber so eklatant an dem Bedürfnis des Patienten nach verlässlichen Informationen so vorbeireden. Liegt es an Zeitmangel oder sind Urologen für diese schwierigen Gespräche nur selten richtig ausgebildet. Dass es auch anders geht, habe ich zum Glück schon vorher erfahren können.

Wegen der steigenden und hohen PSA-Werte, war ich in dieses Gespräch auch mit hohen Erwartungen hineingegangen und hatte auch zum ersten Mal meine Frau mitgenommen, weil vier Ohren mehr hören als nur zwei aufgeregte Ohren. Auch wollte ich nach dem Gespräch möglichst eine grundsätzliche Entscheidung treffen. Nach dem Gespräch brauchte ich aber, wie gesagt, wegen der fehlenden Inhalte meine Urteilskraft nicht zu bemühen.

Jedoch habe ich mir vorgenommen mal genaueres über die Todesursache von Prof. Hackethal herauszufinden. Ich war vorher bereits einmal mit dieser Frage konfrontiert worden. Nach einer Vorlesungsreihe über Krebserkrankungen an der Frankfurter UNI hatte ich den Professor, der Chirurg und Internist war und eine Praxis für Angiologie †“ Hämostaseologie †“ Gefäßchirurgie hatte, schriftlich um einen Rat gebeten. In seiner Antwort fanden sich dann u.a. folgende Sätze:

„ Es ist problematisch, einzelne Sätze in wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Zusammenhang zu lösen. Gerade unser Professor Hackethal hat ja auf übertriebene Aktivitäten in
seiner leidenschaftlichen Art und Weise hingewiesen, letztendlich ist er aber selbst am metastasierenden Prostatakarzinom gestorben.†œ

Im Prostatakrebs-Diskussionsforum des BPS war ich inzwischen schon mal auf eine gegenteilige Meinung gestoßen, die besagte, dass Prof. Hackethal nicht an den Folgen eines Prostatakarzinoms gestorben sei
       
30.12.2001 7.50 15.11.01

Biopsie bei Verdacht auf Prostatakrebs?

Grund für meine PSA Untersuchung:

Die Brustkrebserkrankung meiner Frau im Jahre 1995 hat mich für die Krebsvorsorge sensibilisiert.

Zuerst habe ich eine Darmuntersuchung (Coloskopie) machen lassen.

Eine Vorsorgeuntersuchung der Prostata habe ich noch hinausgezögert, da ich beim Sammeln von Krebs-Info-Material, anläßlich der Brustkrebserkrankung meiner Frau, auf sehr bedenkliche Aussagen bezüglich Prostata-Vorsorgeuntersuchungen gestoßen war.

1998 las ich dann in einem Artikel „Krebs-Test: Verbesserte Methoden†œ, daß von Prof. Hans Lilja von der Universität Lund / Schweden ein verfeinerter PSA Test entwickelt wird, der dann
90% aller Prostatatumore sicher anzeigen soll und in einem Jahr einsatzbereit sein soll. „Wer
dann immer noch nicht zum Test gehe, handele grob fahrlässig†œ, hieß es weiter.

Nachdem ich ein Jahr lang vergeblich versucht hatte, etwas über diesen Test zu erfahren,
habe ich im Oktober 1999 ein PSA Untersuchung vornehmen lassen. Mein Hausarzt konnte
mir zu dem Laborbericht nicht mehr sagen als ohnehin im Bericht ersichtlich war, nämlich daß
mein PSA Gesamtwert über dem Normbereich lag.

Ergebnisse der PSA Untersuchungen:
Nach Überweisung zum Urologen habe ich dort weitere PSA Test machen lassen, die ebenfalls über dem für mein Alter (Jahrgang 1939) angenommenen Normbereich lagen. Im einzelnen ergaben sich bisher folgende Werte, bei gleicher PSA2 CLIA /ACS Untersuchungsmethode,
Chemilumineszenz-Immunoassay auf einem CENTAUR der Firma Bayer gemessen:

Oktober 1999:
Gesamt PSA = 7,5 - Freies PSA = 1,58 - Quotient = 0.21

Dezember 1999:
Gesamt PSA = 6,9 - Freies PSA = 1,18 - Quotient = 0,17

April 2000:
Gesamt PSA = 6,8 - Freies PSA = 1,19 - Quotient = 0,17.

August 2000:
Gesamt PSA = 9,48 - Freies PSA = 0,96 - Quotient = 0,10;
Resultat eines anderen Labors (Abbott, äquimolar).

Januar 2001:
Gesamt PSA = 7,6 - Freies PSA = 1,51 - Quotient = 0,19.

September 2001
Gesamt PSA = 8,0 - Freies PSA = 0,9 - Quotient = 0,11.

November 2001
Gesamt PSA = 7,5 -



Die Tast- sowie die Ultraschalluntersuchungen ergaben bisher keinen positiven Befund oder Verdacht. Trotzdem haben mir bisher drei Urologen dringend eine Biopsie empfohlen.

Pro und Contra des weiteren Vorgehens aus meiner Sicht:

Ich habe mich bis heute nicht entscheiden können dem Rat des Urologen, nämlich Abklärung durch Biopsie, zu folgen. Die Informationen die ich inzwischen zum Thema gesammelt habe, machen mir die Entscheidung außerordentlich schwer.

Anlässlich der Brustkrebserkrankung meiner Frau habe ich erfahren, wie wichtig es für den Patienten ist sich umfassend über medizinische Problemstellungen zu informieren und wie wertvoll eine zweite Meinung eines guten Mediziners ist, zu dem man ein Vertrauen aufbauen kann ist. Die damaligen Diagnosen und Behandlungsratschläge in zwei Krankenhäusern waren sehr unterschiedlich und vor allem überraschten die extrem unterschiedlichen pathologischen Berichte.

Ähnliche Erfahrungen muß ich nun bezüglich des Prostatakrebs machen. Es hat mich überrascht, daß sogar die digitale rektale Untersuchung schon kontrovers diskutiert wurde.

Ein Chirurg, Prof. Rupert Turnbull, schreibt:
„Berühren sie nie ein Krebsgeschwulst, weder bei der Diagnose noch bei der Operation. Bereits das einfache Drücken eines Krebsherdes ist gefährlich. Weit gefährlicher ist natürlich das Hineinschneiden oder Hineinstechen.†œ

Bei Prof. Hackethal fand ich die Bemerkung:
„Außer der vorgeschlagenen Laboruntersuchung halte ich im Moment alles andere für zu riskant, auch die Fingeruntersuchung der Prostata. Zwar ist von einer behutsam ausgeführten Fingeruntersuchung kein Schaden zu erwarten. Leider aber ist die Regel, daß zu grob untersucht wird, von den Urologen eher noch häufiger als durch andere an der Krebsmusterung Beteiligte. †“ Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß der Untersucher den Patienten zu einer Biopsieoperation drängt und das kann der Anfang von Ende sein.†œ

Da man davon ausgehen kann, daß erfahrene Chirurgen solche Sätze sicher nicht völlig grundlos in Druck geben, hat mich die Zustimmung zur rektalen Tastuntersuchung schon einige Überwindung gekostet. Da nun aber eine Entscheidung über eine Biopsie ansteht, sind
meine Bedenken in Anbetracht der vielen kritischen Informationen noch größer geworden.

Ein Prof. Krokowski folgt aus seinen Beobachtungen:
„daß es in einigen Jahren als ärztlicher Kunstfehler gelten werde, Biopsie-Operationen zu machen. Anhand von 3000 Verlaufsbeobachtungen nach Operationen bei Krebs, insbesondere auch Biopsie-Operationen, konnte nachgewiesen werden, daß dies sehr oft der Anfang vom Ende war, der Beginn raschen Fortschreitens einer Krebskrankheit.†œ

Prof. Hackethal:
„Schon heute muß jede Biopsie-Operation bei Prostatakrebs-Verdacht m.E. als ärztlicher Kunstfehler gelten. Hier ist auch die sogenannte Feinnadel-Punktion eingeschlossen.
Bei ihr kommt deshalb ein besonderes Gefahrenmoment hinzu, weil durch den immer mit
Kotkeimen besiedelten Mastdarm hindurchgestochen wird. Zahlreiche Fälle von hochakuter
infektiöser Prostataentzündung durch Keimverschleppung sind inzwischen bekannt geworden....

Ich habe während meiner schlechthin chirurgischen Tätigkeit häufig auch Stanzprobe-exzisionen aus der Vorsteherdrüse gemacht. Erst seit einigen Monaten ist mir klar, dass ich damit den Patienten in aller Regel nicht genutzt, sondern geschadet habe.... Man sticht nicht in ein Wespennest und treibt viele einzelne Krebszellen und ganze Krebsherde in die Lymph- und Blutbahnen. Damit beginnt dann der Count-down für die Krebskrankheit....

Zumindest ist jeder Biopsie-Operateur verpflichtet, seinen Patienten vorher darüber aufzuklären, daß es inzwischen viele namhafte Wissenschaftler gibt, die jegliche Biopsie-Operation für sehr gefährlich halten.

Nach einer derartigen Aufklärung dürfte es wohl nur noch wenige Patienten geben, die diesem Eingriff zustimmen.

Die plausibelste Erklärung für die rapide Häufung der Prostatakrebstote ist nach meiner
Überzeugung die mit der Krebs-Massenmusterung gekoppelte Zunahme der Rabiat-Diagnostik und Rabiat-Therapie†œ....

Bei dem jetzigen Stand des gesicherten medizinischen Wissens über die Vorsteherdrüse-Erkrankung halte ich jegliche Therapie für zu riskant. In aller Regel ist der dadurch bewirkte Schaden größer als ein möglicher Nutzen.

Nun ist Prof. Hackethal ein sehr umstrittener Mediziner gewesen. Daß Biopsien aber nicht
ungefährlich sind, dafür habe ich auch in anderen Veröffentlichungen zum Thema genügend bedenkenswerte Hinweise gefunden.


Biopsie notwendig?

Zuerst aber stellt sich für mich einmal die Frage, wie notwendig eine Biopsie in meinem Falle
ist. - Meine Gesamt PSA-Werte sind zwar erhöht, liegen aber noch in der sogenannten Grauzone.

Da das PSA nicht krebs-, sondern gewebespezifisch ist und zudem gesunde Zellen und hyperplastisches Prostatagewebe mehr PSA produzieren sollen als maligne Zellen, ist die Diagnose und die weitere Vorgehensweise anscheinend nicht eindeutig, sondern sorgfältig zu überlegen.

In Handbuch für Labor und Diagnose, TH-Books Verlag heißt es zur Bewertung von erhöhten
PSA-Konzentrationen:
„Dennoch haben 70-80% der Patienten mit erhöhtem PSA, vor allem im Bereich von 4-10 ng/ml, kein Prostatakarzinom†œ.

Bei PSA Werten in der Grauzone sind Biopsien in der großen Mehrzahl also ohne Befund.

Einem Algorithmus für Prostatakarzinomscreening einer Münchener Klinik entnehme ich, daß
bei PSA Werten zwischen 4 und 10 ng/ml und negativer DRU und TRUS keine Biopsie vorge-
nommen wird, sondern eine halbjährliche Kontrolle empfohlen wird.

Einer Arbeit „Diagnostik und Stadieneinteilung†œ von J.E.Altwein entnehme ich, daß nach einer
US-Gesundheitsstudie (22000 teilnehmende Ärzte) bei einem Cut-off von 4 ng/ml die Spezifität beim PSA Test bei 91% liegt.

Dies bedeutet, wenn ich die mir vorliegenden Informationen richtig verstehe, daß z.B. bei
100.000 Untersuchungen ca. 9000 mal von einem falsch-positiven Befund auszugehen ist, der dann durch weitere diagnostische Verfahren abzuklären wäre. Wenn man von einer Prävalenz der Erkrankung von im Durchschnitt 100 / 100.000 Einwohner ausgeht (z.B. 66 im Saarland, 120 in den USA), wären also 90mal mehr als tatsächlich Erkrankte durch den Marker als tumorverdächtig eingestuft.

Risiko der Erkrankung.
In mir vorliegenden PCA Arbeiten wird das Risiko eines 50 jährigen Mannes, ein PCA zu entwickeln, mit 42% angegeben.

„Die Wahrscheinlichkeit klinisch manifest daran zu erkranken liegt mit 9,5% weit darunter.

Das Mortalitätsrisiko beträgt lediglich 2,9% (SCARDINO 1992).

Diese erhebliche Diskrepanz sowie die weitgehend konstante Mortalität trotz des rapiden Inzidenzanstiegs hat zu Zweifeln an der klinischen Relevanz der vermehrt diagnostischen PCA geführt (KRAMER 1993, LU-YAO und Greenberg 1994, HÖLZEL 1995).†œ

„Die zunehmende Inzidenz des PCA wurde mit der Einführung des PSA-Screenings in den achtziger Jahren in Verbindung gebracht (DEMERS 1994, DEVES 1995, POTOSKY 1995):

Die vermehrte Durchführung transurethaler Prostatasektionen zu Behandlung benigner Prostatahyperplasien führte zur gehäuften Diagnosestellung von Prostatakarzinomen aus dem Resektat (LEVY 1993). Folge war in den USA im Zeitraum 1984-1990 eine Versechs-fachung der Anzahl radikaler Prostatektomien zur Behandlung der gefundenen PCA´s (LU-YAO 1993).†œ

In der Arbeit „Prostatakarzinom†œ von J.E. Altwein, ist bereits im ersten Absatz zu lesen:
„Die Inzidenz des PCA stieg 1995 auf „epidemisches Niveau†œ.

Die trifft vor allem auf die USA zu; denn zwischen 1979 und 1995 erhöhte sich die Zahl der Erkrankten von 64.000 auf 244.000 (WINGO 1995).

... Diese Unterschiede erklären sich z.T. durch eine unterschiedliche Aggressivität der Früherkennungsprogramme.

... Die Mortalität am PCA in den USA lag im Jahre 1979 bei 21.000 und 1995 bei 40.400, d.h. die Mortalitätsrate stieg mit 92% fast sechsmal so schnell wie in Deutschland.†œ

Solche Zahlen geben zu gründlichem Nachdenken Anlaß, um so mehr, wenn in den Publikationen immer wieder betont wird, daß ein langsames Wachstum für das PCA charakteristisch ist. So wird zwar
„bei nahezu jedem zweiten 60-jährigen Mann autoptisch ein PCA gefunden, lediglich aber nur jeder hundertste 60-jährige Mann entwickelt ein klinisch manifestes PCA (HULAND 1991)†œ.

Aufgrund intensiver Untersuchungen über die Tumorbiologie des PCA vertritt STAMEY die Meinung, daß nur Karzinome, deren Volumen 0,5ml übersteigen, für eine Behandlung geeignet sind, während solche kleiner als 0,5 ml keiner Therapie bedürfen (STAMEY 1992).
„Diese Erkenntnis der Tumorbiologie des PCA hat besonders für die Diagnostik große Bedeutung. Einerseits sollte man nicht versuchen, kleinste Tumorvolumina zu entdecken†œ.

Solche Patienten hätten trotz histologischen Nachweises eines PCA eine uneingeschränkte Lebensprognose und sollten daher nicht einer radikalen Prostatektomie zugeführt werden.







Risiko und Aussagekraft der Biopsie

In der mir vom Urologen ausgehändigten Patientenaufklärung wird mir als Methode eine fingergesteuerte Stanzbiopsie durch den Enddarm angekündigt und erläutert mit welchen Komplikationen zu rechnen ist und wie die Erfolgsaussichten sind.

Diese Informationen sind nicht nur umfangreich sondern deuten auch daraufhin, daß nicht nur geringfügige Komplikationen bedacht werden müssen und darüber hinaus auch die Aussage-kraft der Biopsie fraglich sein kann.

„Das Biopsiematerial kann u.U. für die Auswertung unzureichend sein, so daß eine Wiederholung des Eingriffes erforderlich wird†œ, heißt es in der Patientenaufklärung.

Da bei PSA Werten zwischen 4,5 und 10 ng/ml in 70 bis 80 % der Fälle kein PCA
festzustellen ist, ergibt sich wohl sehr häufig die Frage einer Biopsie Wiederholung. Jedoch wäre es „gerade bei PSA Werten im Graubereich wichtig unnötige Biopsien, die eine physische und psychische Belastung ist, zu vermeiden†œ.

Die Komplikationen reichen laut Patientenaufklärung von
„Blutungen, Stichverletzungen der Harnröhre oder der anliegenden Blase, Infektionen†œ bis zur
„Verschleppung von Tumorzellen†œ.

Bei Hackethal heißt es gar unter „Mögliche Folgen†œ einer Biopsie:
· Massive Übertragung von Kotkeimen (immer)
· Verletzung vieler Prostata-Dolden (immer)
· Akute und chronische Prostataentzündung
· Dauerhaft Potenzstörung
· Massive Krebszellenaussaat †“ Merke: Bei 1 (Kanülen-) Volltreffer in einen erbsengroßen Krebsherd werden ca. 20 Millionen Krebszellen mobilgemacht, außerdem viele Tausend Mastdarmkeime eingeschleppt!

Er schildert außerdem einen Fall, bei dem der Pathologe das erste Biopsiematerial mit dem
„dringenden Verdacht auf ein hochdifferenziertes Adenomkarzinom der Prostata†œ beurteilt und der Urologe zu einer dringenden Radikaloperation rät, die aber nicht sofort vorgenommen werden konnte, da im Krankenhaus kein freies Zimmer zur Verfügung stand. Im Verlauf der Wartezeit auf ein freies Zimmer holte der Patient eine zweite Ansicht ein. Eine neue Biopsie
beurteilte ein anderer Pathologe mit „Zeichen einer Adenomyomatose mit geringfügiger Entzündung, kein Krebsnachweis†œ. Es erfolgte keine Radikaloperation. „An den Folgen der
rabiaten 6-fach-Stanzung seiner Prostata leidet der Patient noch heute ....†œ

Bei J.E. Altwein, s.o., heißt es:
„Die aufklärungsbedürftige Komplikationsdichte ist nicht unerheblich†œ und in einer folgenden Tabelle nach COLLINS, 1993 sind die Komplikationsdichten aufgelistet:
Hämaturie 58 %, Blut im Stuhl 37 %, Hamtospermie 28 %, Darmprobleme 14 %, Obstruierte
Miktion 7 %, Fieber 4 % etc.

Besonders die Möglichkeit der Krebsausbreitung durch eine Biopsie und die unterschiedlichen
Ansichten zu diesem Problem, gibt mir zu denken. In der Patientenaufklärung heißt es dazu, daß eine
„Krebsausbreitung im Stichkanal infolge Verschleppung von Tumorzellen extrem selten†œ sei.

Auf meine Frage, was unter „extrem selten†œ konkret zu verstehen sei, erhielt ich
vom Urologen die Auskunft, daß es praktisch überhaupt nicht vorkommt und daß dieser Hinweis nur aus „versicherungstechnischen†œ Gründen aufgenommen wurde.

Um dieses Risiko verstehen zu können, habe ich den Krebsinformationsdienst in Heidelberg
um nähere Informationen gebeten. Dort war man zu dieser Frage überfragt, hat mir aber nach
einer Recherche einige Wochen später mitgeteilt, daß diese Risiko extrem niedrig sei und bei 500.000 bis gar 1 Million Biopsien nur einmal vorkommt.

Nach diesen beruhigenden Informationen habe ich dann aber mit Erstaunen bei J.E. Altwein gelesen:
„Die systematische Biopsie erschwert zwar nicht die totale Prostatektomie, führt aber in 2% der Fälle zu einem punktionsbedingten Tumorzellenvordringen in den Stichkanal der Prostata (Bastacky 1991). Die klinische Bedeutung dieser Tumorzellenaussaat durch die Biopsie ist bisher noch nicht bekannt. Es sollten jedoch aufgrund dieser Tatsache die Anzahl der Biopsien aus der Prostata auf das notwendige Maß beschränkt werden.†œ

Nach dieser immerhin sehr bemerkenswerten Unterschätzungen durch die beiden ersten Informanten, (KID Heidelberg und Aufklärungsblatt des Urologen) habe ich mich natürlich um weitere Informationen zu diesem Problem bemüht. Dabei war für den Laien unschwer zu erkennen, daß es hier ein ganz konkretes Problem gibt.

Zitat aus einer Untersuchung im Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf:
„Dagegen spricht die Tatsache, daß zahlreiche Tubuli seminiferi durch die Biopsie eröffnet werden. Des weiteren ist die große Verletzlichkeit des Keimepithels und die damit verbundene Möglichkeit des leichten Herauslösens einzelner Keimzellen bekannt (HOLSTEIN 1987). Dieser Vorgang kann auch für das Verhalten der Tumorzellen angenommen werden.†œ

In einer engl. Studie, auf die Bezug genommen wird, heißt es:
„when the coverings of the tumor are punctured and any of the contents escape, a local recurrence is almost to follow.†œ

Weiter heißt es:
„Auch in anderen Fachdisziplinen werden immer wieder Stimmen laut, die vor einer hämatogenen und lymphogenen Aussaat mit Fernmetastasierung und der lokalen Tumorzellenaussaat in die Biopsiestelle warnen†œ....

„Tumorzellenkontaminationen sind auch nach Nadelbiopsien am Pankreas, der Lunge, der Leber und der Mamma beobachtet worden (HABSCHEID 1987, HIX 1990, EVANS 1987, KOPANS 1988). ...

„Insbesondere nach diagnostischen Lungenbiopsien fanden sich Tumorzellen entlang dem Stichkanal im Lungenparenchym, der Pleura, dem knöchernen Thorax und der darüber-liegenden Haut (HIX 1990, MOLOO 1985, BAKER 1980).†œ ...
Auch bei der heute gängigen Aspirationsbiopsie einer Mamma mit suspektem Palpations-befund fürchtet man die Aussaat maligner Zellen in die Pectoralisfaszie hinein, die dank moderner Operationsmethoden heutzutage vielfach erhalten werden kann und die dann Grundlage einer Tumorrezidives ist.†œ

Die Literaturliste zu dieser Untersuchung läßt ebenfalls erahnen, daß die Tumorzellenaussaat ein ernstes Problem ist; Themen einzelner Arbeiten:

„Implantation of cancer of the prostate in site of perineal needle biopsie†œ;

„Safety of and necessity for needle biopsy of liver tumors†œ;

„Needle tract seeding following aspiration of the renal cell carcinoma†œ;

„Haumetastase nach ultraschalgezielter Feinnadelpunktion eines Pankreaskarzinoms†œ;

„Needle aspiration in lung cancer. †“ Risk of tumor implantation is not negligble†œ;

„Needle tract seeding after percutaneous renal adenorcarcinome aspiration†œ;

„Does preoperative needle localization lead to an increase in local cancer recurrence†œ;

„Possible spread of bronchongenic carcinoma of the chest wall after a transthoracic fine needle†œ

„Scrotal operation or biopsy of testiscular tumors †“ a fatal mistake?†œ;

„Risk factors for perineal seeding of the prostate cancer after needle biopsy†œ.

„Die Frage der lokalen Tumorzellenaussaat in den Biopsieentnahmebereich mit einem anschließenden Tumorwachstum ist also immer noch eine kontrovers diskutierte Frage†œ, heißt es in dieser Untersuchung.

In einer anderen Arbeit lese ich:
„... Es gibt in bestimmten med. Kreisen auch einige Bedenken darüber, daß ein radikaler Eingriff, um Prostatakrebs zu behandeln, lediglich dazu führt, daß sich die Krankheit ausbreiten kann. Ärzte haben angenommen, daß die schlechten Überlebenschancen damit zusammenhängen, dass es beim Prostatakrebs zu tödlichen Metastasen kommt. Es ist jetzt aber entdeckt worden, daß Chirurgen während eines operativen Eingriffs unbeabsichtigt die Krebszellen auf andere Körperteile ausgebreitet haben. In einer Studie 14 überwachter Operationen wurde anschließend im Blut von 12 Patienten Prostatakrebszellen entdeckt. Bevor sie operiert wurden, hatten nur drei eine solche Zellzirkulation gehabt.

Sollte ich mich in Anbetracht solch kritischer Stimmen „im Zweifelsfall für eine weiterführende Diagnostik entscheiden†œ, wie es in einer Dissertation heißt, obwohl schon im nächsten Satz die Warnung folgt: „Man muss aber auch hierbei eine gewisse Mortalität und Morbilität durch die nachfolgenden diagnostischen und therapeutischen Eingriffe berücksichtigen, die den Patienten teilweise einem hohem Risiko aussetzen, ohne ihm einen sicheren Nutzen zu garantieren (GERBER 1991)

In einem allg. Ratgeber über med. Probleme ist unter dem Kapitel Prostatakrebs folgendes zu lesen:
„... andere Forschungen zeigen, daß selbst jüngere Männer, die einen sich langsam aus-
breitenden Prostatakrebs haben und das Alter von sechzig Jahren erreichten, wahrschein-
lich genauso lange leben, wie Männer die keine Tumore haben.

„... Abgesehen von der Tatsache, daß es so aussieht, als ob Prostataoperationen die Über-
lebenschancen nicht verbessern, können radikale Eingriffe und Untersuchungen ganz einfach sehr oft einen Krebs ans Tageslicht bringen, der ansonsten, wenn man ihn in Ruhe lassen würde, untätig †“ und harmlos †“ bliebe.

In einer englischen Sonntagszeitung vom 22. Oktober 2000 fand ich unter der Überschrift „Prostate cancer test under fire†œ folgende bedenkliche Aussage:

†œThe Government´s cancer screening tsar (Zar) has sparked controversy by saying he would never consider having a test for prostate cancer. Dr. Muir Gray, chairman of the National Screening Committee, believes treatment can do more harm than the disease itself. He told †œNursing Times†: ... †œI think most cancer epidemiologists here would refuse a test. There is no evidence screening reduces the death rate. Many prostate cancers never break out of the prostate.† ...

… The Department of Health say, it will introduce population-based screening if techniques improve. The main method is the prostate specific antigen (PSA) test, which can produce false positive results. Another test, is less than 50 per Cent accurate. A Spokeswoman said: †œThe Department supports Dr. Gray´s views that there is no evidence to support introduction of prostate cancer screening. If and when screening is proven effective, we will introduce it†.

Dass diese Meldungen bedenkenswert sind, lässt auch die derzeitige kontroverse Diskussion zum geplanten Brustkrebs Screening erkennen. Die Hamburger Professorin Mühlhauser schreibt dazu:

„Die Frauen sollen massenhaft zum Screening gelockt werden, indem man ihnen eine
30-prozentige Reduzierung der Brustkrebs-Todesfälle sozusagen als Köder vor die Nase hält. Doch die Informationen, die sie bekommen, sind einseitig und irreführend. Niemand sagt Ihnen ehrlich:

999 von 1000 Frauen haben keinen Nutzen vom Screening. 996 Frauen, weil sie ohnehin keinen Brustkrebs haben, und drei Frauen, weil ihr Brustkrebs zwar entdeckt wird, sie aber trotzdem daran sterben. Nur eine von 1000 Frauen wird also durch das Screening gerettet.

Da das Screening nicht ungefährlich ist, fragt man sich angesichts des äußerst mageren
1 Promille Nutzens, ob infolge die Belastung durch Röntgenstrahlung das statistische Plus-Resultat nicht noch weiter verwässert wird oder gar im Minus landet.

Wenn also selbst Experten in höchst verantwortlicher Stellung, wie z.B. Dr. Gray als Vorsitzender der National (Cancer-) Screening Committees von England, sich im höchsten Maße kritisch zu diesen Fragen äußern, dann müssen beim Laien zwangsläufig die Alarmglocken läuten. Jedenfalls zeigen mir die zu diesem Problem gesammelten Meinungen, daß ich bei dem weiteren Vorgehen vor einer schwierigen Entscheidung stehe.
Welchem Experten kann ich mehr vertrauen?

Wie schwierig die Entscheidung bei medizinischen Fragen für einen Laien ist, macht auch das Fazit von zwei dänischen Wissenschaftlern deutlich, die alle bisherigen Studien zum Thema Brust-Krebs unter die Lupe genommen haben. In der renommierten britischen Fachzeitschrift
„Lancet†œ heißt es dazu: „Der Großteil der Studien hat so gravierende methodische Mängel, dass ihre Ergebnisse reine Spekulation sind†œ.

Auch die Rahmenbedingungen des medizinischen Alltags machen die Entscheidung nicht leichter. „Wenn achtzig und mehr Kassenpatienten am Tag durch eine Praxis geschleust werden und Ärzte in Kliniken gehalten sind, dauernd Überstunden zu machen, dann ist für ein eingehendes Gespräch kein Raum†œ, schreibt die Chefredakteurin einer Zeitschrift für Medizin. Dabei sollte die Begegnung zwischen Arzt und Patient trotz aller technischen Errungenschaften im Zentrum ärztlichen Handels stehen.

Zweifellos brauche ich eine zweite Meinung eines Urologen, der eine umfassende Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet besitzt. Dieser Urologe sollte auch Verständnis haben für meine kritischen Einwände, die ich als Laie ja nur aus zweiter Hand machen kann, und diese nicht etwa als hinderliches Misstrauen auslegen.

In Anbetracht der beträchtlichen kritischen Stimmen, die gegen eine weitere Diagnostik sprechen, möchte ich nicht blind der ersten ärztlichen Diagnose vertrauen. Nach meinem bisherigen Informationsstand neige ich zu einer Strategie des Abwartens und Beobachtens, zumal meine PSA Werte bisher mehr oder weniger gleich geblieben sind;
7,5 / 6,9 / 6,8 / 9,48 / 7.6 / 8,0 / 7,5 jeweils gesamt PSA.

Ich kann mir aber auch vorstellen, daß ich als Laie die mir vorliegenden Daten noch zu einseitig gewichte und mir ein Fachmann in einem vertrauensvollen Gespräch unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Gesichtspunkte meine jetzigen Bedenken und Ängste gegen eine Biopsie nehmen könnte.

Besonders, da es sich hier um einen Grenzfall im sogenannten Graubereich handelt, möchte ich in jedem Fall in die Lage versetzt werden, als Patient kompetent mitentscheiden zu können. Das blindes Vertrauen gerade in medizinischen Fragen nicht angebracht ist, das beweisen mir gerade Ratgeber zu Prostata-Erkrankungen, die leider zu oft zur Schönfärberei neigen.

Von der Takeda Pharma, Aachen (Im Dienste der Gesundheit) liegt mir z.B. ein Broschüre
„Den Jahren Leben geben †“ Was jeder Mann über 45 wissen sollte†œ vor.
Dort heißt es zum Punkt Untersuchungs-Ablauf:
„Eine Gewebeabnahme ist praktisch ungefährlich †“ eine Verschlimmerung oder Verschleppung des Leidens (Aussaat von Krebszellen) ist bei der modernen Untersuchungstechnik
a u s g e s c h l o s s e n.†

Zum Punkt Radikale Prostatektomie ist dort zu lesen:
„Nach Entfernung der Prostata wird die Harnröhre mit der Blase wieder vernäht, so dass das Wasserlassen normal erfolgen kann. Allerdings kann es nach der Operation in Einzelfällen, und dann meist nur vorübergehend, zu einem unwillkürlichen Harnverlust kommen. Der Schließmuskel muss wieder trainiert werden. Zusätzliche Maßnahmen sind nur in Ausnahmefällen notwendig.†œ

Eine solche Verniedlichung und Umkehrung der Wirklichkeit kann ich in Anbetracht der mir vorliegenden Informationen nur unredlich und keineswegs vertrauenerweckend nennen.

Immer wieder wird von Betroffenen berichtet, dass sich die Lebensqualität nach einer radikalen Prostatektomie dramatisch verändert hat und dass dies den Patienten vor der Operation selten
deutlich gemacht wird. Viele Ärzte beteuern nervenschonend zu operieren, „doch†œ, so berichten Betroffenen „sieht die Realität ganz anders aus†œ.

„Tabuisierung kann beim Prostatakrebs lebensgefährlich sein†œ lese ich. Man möchte hinzufügen „Blindes Vertrauen in die sogenannten Experten ebenso†œ. Abwarten, Beobachten und Informationen sammeln scheint mir daher zur Zeit die vernünftigste Vorgehensweise zu sein.

Ich hoffe, dass ich doch noch einen kompetenten Arzt finde der für meine skeptische Einstellung und Ängste Verständnis hat und mit dem ich dann vertrauensvoll zu einem gemeinsam durchdachten Vorgehen finde. Außerdem hoffe ich auf Rat und Aufklärung von betroffenen Patienten aus den Selbsthilfegruppen.

Stand 30. Dezember 2001



Nachtrag 15. Februar 2002:

Inzwischen habe ich weitere kritische Stellungnahmen von Biopsiegegnern ausfindig machen können.

Ein Prof. Rothauge sagte in einem Spiegelgespräch auf die Frage:
„Haben Sie sich mit ihren 53 Jahren schon einer Vorsorgeuntersuchung wegen der Prostata unterzogen?†œ, „Nein, aus weltanschaulichen, religiösen und medizinischen Gründen nicht†œ.

Prof. Ernst Krokowski, Kassel schreibt in der Zeitschrift „Der Kassenarzt†œ (1979):
„Bei einer Untersuchung dürfen auf keinen Fall bösartige Tumore verletzt werden. ... Die meisten Metastasen entstehen bei der Erstbehandlung†œ.

„Vier von fünf Patienten, die dem Krebs erliegen, sterben an ihren Metastasen und nicht an dem Frühtumor†œ, lese ich im Buch „Alternativ-Medizin durch Ausdauer†œ von Dr. med. Ernst van
Aaken. In einem Brief schrieb Otto Warburg an Dr. van Aaken, dass der Mensch durch sein Eingreifen die Metastasen verursacht.

„Nur ein kleiner Bruchteil der Patienten stirbt an ihren Wucherungen, die meisten sterben an den hinzugekommenen Metastasen und Krankheiten ... Das Krebsproblem ist ein Metastasenproblem geworden, denn diese Tochtergeschwülste entstehen wahrscheinlich in vielen Fällen durch Biopsie, frühzeitige Operationen, Bestrahlungen und mit Sicherheit durch Cytostatika†œ, schreibt Dr. van Aaken in seinem Buch.

Der Kasseler Professor Ernst Krokowski berichtete vom 58. Deutschen Röntgenkongress: „dass sich die gefährlichen Metastasen eines Krebses offenbar nicht bloß selbst bilden, sondern durch ärztliche Behandlung geradezu erzeugt würden†œ.

Nachdem mehrere Biopsiegegner †“ Freise/Berlin, Gabler/Berlin, Krokowski/Kassel, Zuppinger/Bern - in der einschlägigen Literatur behaupteten, dass durch Biopsieeingriffe mit großer Wahrscheinlichkeit die Bildung von Tochtergeschwülsten erst richtig in Gang gebracht würden, sah sich der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer genötigt eine Ad-Hoc-Kommission einzuberufen, die sich ausschließlich mit der Frage „Metastasenförderung durch diagnostische Gewebsentnahme (Biopsie)?†œ beschäftigte.

Im dem im Deutschen Ärzteblatt 1980 veröffentlichen Bericht heißt es bereits im ersten Satz der Stellungnahme:

„Die Kommission geht von der grundsätzlichen Möglichkeit aus, dass operative Maßnahmen
jeder Art, also auch Probeexzisionen und Punktionen, zu einer Einschwemmung von Tumor-zellen in die Lymph- und Blutbahn oder zu einer Verschleppung in das gesetzte Wundgebiet mit nachfolgenden Implantationsmetastasen führen können (Ackermann & Wheat 1955); Asakawa 1963; Freise et al. 1967; Hagemann 1967; Jonasson et al. 1961; Malmgren 1967; Watne et al. 1961).†œ

Die Kommission versucht zwar die Gefahren herunterzuspielen indem sie z.B. beim Mammakarzinom für Schnellschnittuntersuchungen oder zweizeitiger Eingriff innerhalb einer Woche plädiert, was die Gefahr hämatogener oder lymphogener Metastasierung ausschließen soll, sie erkennt jedoch an,
„dass lokale Tumorzellenverschleppung zu Implantationen oder Narbenmetastasen führen können†œ und dass „Implantationsmetastasen in Thorakotomienarben oder im Stickkanal nach
Nadelbiopsie aus der Prostata als real angesehen werden (Blackard et al. 1971, Desai et al. 1974, Sinner et al. 1976)†œ.

Prof. Ernst Krokowski, bei dem die Diagnose des Prostatakarzinoms durch Biopsie im Mittelpunkt seiner Kritik steht, drückt sich da weniger vorsichtig aus, sondern spricht ganz deutlich aus, dass
„bei einer Untersuchung in keinem Fall bösartige Tumore (Malignome) verletzt werden dürfen†œ
Aus der Beobachtung von über 3000 Patienten mit Lungenmetastasen kommt er zum chluss,
„dass bei Frühfällen die Tochtergeschwülste zur Zeit der Erstbehandlung ausgelöst wurden†œ.

In einem „Appell an die Eigenverantwortlichkeit†œ wendet sich Prof. Krokowski mit anderen Kritikern scharf gegen das Herausschneiden von Geschwulststücken:

„Durch die Feinbiopsie-Nadel von 0,4 Millimeter Durchmesser und einen Stickkanal von fünf bis zehn Millimeter würden bei durchschnittlicher Zelldichte 100.000 bis 200.000 Tumorzellen herausgelöst, die gleiche Zahl aber werde durch den Stich selbst berührt. Eine fächerförmige Punktion, wie sie bei der Prostatadiagnostik üblich sei, setzte eine halbe bis eine Million Tumorzellen in Bewegung. In wenigen Jahren werde die ungeschützte Punktion eines Malignom als Kunstfehler gelten†œ.

Folglich empfiehlt Prof. Krokowski zwar eine kontrollierte Beobachtung der Prostata aber ohne Biopsie.

Dr. van Aaken schreibt:
„Beruhigend ist, dass Krebs nicht gleich Krebs ist und sich manche Krebstumoren jahrlang ruhig verhalten. So ist auch das Wachstum des Prostatakrebses ein sehr langes, welches man gar nicht stören sollte, denn es gibt genügend Fälle, wo diese Krankheit im 50. und 60. Lebensjahr entdeckt wird und der Betreffende ohne Operation und Manipulation 70, 80 und 90 Jahre alt wurde. ... Der Chemiker Klemke schrieb mir: ... je nach Tumorart und entsprechend gut funktionierenden Immun- Abwehrsystem, könne bis zu 30 Jahre vergehen, bis sich aus einer einzigen Tumorzelle ein Tumor von 1 cm Durchmesser entwickelt, der eine Milliarde Tumorzellen enthält.†œ

Soll ich mich bei dieser Sachlage dem Risiko einer Biopsie aussetzen? Wie gesagt, Tast- und Ultraschallbefund sind bisher negativ. Die erhöhten PSA Werte sind relativ konstant im Grau-
bereich bis 10 ug/L. Die erhöhten Werte können durchaus in einer BPH begründet sein. Sollte es aber ein noch klinisch unauffälliger Tumor sein, so bedeutet das nach all dem, was ich
bisher an Informationen gefunden habe, noch lange nicht, dass ein solcher Tumor zum Tode führt. Ein Zufallsbefund durch Biopsie könnte allerdings durchaus der Anfang vom Ende sein.

In Gegenüberstellung der Biopsie Gefahren mit dem Risiko der verpassten Früherkennung
scheint mir, nach meinem jetzigen Kenntnisstand, eine engmaschige Vorsorgeuntersuchung ohne Biopsie der vertretbarere, vernünftigere Kompromiss zu sein.

Nachtrag 19. Februar 2003:
Inzwischen habe ich einen Urologen gefunden, zu dem ich volles Vertrauen habe. Er akzeptiert meine Bedenken gegen Biopsien und ist auch der Meinung, dass eine engmaschige PSA Kontrolle statt Biopsie bei den jetzigen Werten noch vertretbar ist.

Die PSA Werte des Jahres waren folgende:
Februar 2002 - Gesamt PSA = 8,1 -
Mai 2002 - Gesamt PSA = 8,0 -
Oktober 2002 - Gesamt PSA = 9,6 †“
November 2002 -Gesamt PSA = 8,8 †“ Quotient = 0,11

Eine Information, die ich Ende Januar 2003 von Herrn Peters von der SHG Rhein-Main erhalten habe, lässt mich meine bisherige Einstellung jedoch überdenken. Dort heißt es in einer e-Mail Anlage „Onkologen / Hämatologen†œ: ....

„Der Prostatakrebs ist eine systemische Krankheit und keine auf das Organ Prostata beschränkte. Systemische Krankheit heißt, wenn sich der Krebs in unserer Prostata gebildet hat, sendet er über das Blutsystem und das Lymphsystem Krebszellen, die sich als Mikrometastasen in unserem Körper niederlassen.†œ ....

Bedeutet das, dass es gar keine winzigen, nur sehr langsam wachsende, sprich medizinisch nicht relevante Karzinome gibt? Verursacht auch das kleinste Prostatakarzinom Mikrometastasen außerhalb der Prostata?

Inzwischen habe ich von dem Früherkennungssystem „ANNA†œ des Homburger Urologen Dr. Tillmann Locher erfahren. Wenn „ANNA†œ wirklich
„nicht sichtbare Prostata-Karzinome sowie verdächtige Areale vor Biopsie identifiziert†œ,
dann hätte sich mein Abwarten schon gelohnt.

Nachdem „ANNA†œ Mitte Januar 2003 in den ZDF 19-Uhr-Nachrichten erwähnt wurde, waren die Termine an der Uniklinik Homburg-Saar im Nu für das erste Halbjahr ausgebucht, so dass ich erst im Juli 2003 an die Reihe komme. Natürlich bin ich sehr gespannt, was „ANNA†œ in meiner Grauzone sieht.

Eine fächerförmige Punktion meiner Prostata, bei der nach Prof. Krokowski evtl. eine halbe bis eine Million Tumorzellen in Bewegung gesetzt werden, ist mir nach wie vor zuwider.
„Die meisten Metastasen entstehen bei der Erstbehandlung. Vier von fünf Patienten, die dem Krebs erliegen, sterben an ihren Metastasen, - nicht am Primärtumor†œ, so Prof. Krokowski, Leider der Strahlenklinik im Stadtkrankenhaus Kassel.

Mein Bruder hat mir die Broschüre „Prostatakrebs †“ Fakten und Handlungsbedarf†œ vom Nationalen Krebsbekämpfungsprogramm des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit und der Schweizer Krebsliga zugesandt. Dort lese ich auch, was der dänische Epidemiologe Ole Olsen schon bezüglich des Brustkrebses äußerte, nämlich, dass es in den Vereinigten Staaten eine dramatische Überbehandlung gibt.

Gleich im ersten Artikel heißt es in der Broschüre unter der Überschrift „The Epidemiology of Prostate Cancer†œ:
... With the indtroduction of aggressive case-finding with PSA in the USA in particular, the recorded incidence rate of prostate cancer has been increasing rapidly. Newly diagnosed prostate cancer cases were over 300.000 in 1996, making prostate cancer the leading site for incidence in men and second only to lung cancer mortality (with over 40.000 deaths) in the USA. This apparent epidemic could be explained by more frequent utilization of neddle biopsies, and mainly by widespread use of PSA testing, which rose substantially between 1988 and 1991 from 1,4 to 18 per 100 men over 65 years of age in the US. …†

Sieht man sich die abgedruckten PCA Mortalitäts-Balken-Diagramme für Europa an, dann stellt man ebenfalls verblüffende geographische Variationen fest. Das Gefälle von 22 Todesfälle pro 100.000 in Norwegen, Schweiz 22, Schweden 21, Dänemark 20 ..... bis Bulgarien 9, Rumänien 8, Russland 7, Ukraine 7, Mazedonien 6, Maldovia 4 scheint Bände zu sprechen; dort wo am meisten und „effektivsten†œ gesucht wird, sterben auch die meisten Patienten.

Ebenfalls aus einem Artikel aus der Schweiz: „Soll ich die Prostata auf Krebs untersuchen lassen? †“ (Ärztegespräch zwischen Arzt Andreas Weber und dem Patienten Freddy Spieler) heißt es am Ende unter der Überschrift „Nutzenforschung†œ:

„ Soll man die Prostata auf Krebs untersuchen lassen, auch wenn man keine Beschwerden hat? Die meisten internationalen Fachverbände empfehlen dies nicht. Sie stellen die Vorsorge-Untersuchung in Frage, denn der Nutzen ist bisher nicht erwiesen. ... Bestimmt man den PSA Wert bei 100 Männern im Alter zwischen 50 und 70 Jahren, so wird er bei etwa 10 Männern erhöht sein. Aber nur etwa 3 von diesen Männern haben einen Krebs, der sich bemerkbar machen wird. Das heißt: 7 dieser 10 Männer haben zwar einen erhöhten PSA-Wert, aber keinen Krebs. Um zu wissen, welche 3 betroffen sind, müsste man bei allen 10 eine Biopsie machen, das heißt mit einem Stanzwerkzeug Gewebeproben aus der Prostata entnehmen ...†œ

Klar, der Skeptiker wird sich fragen müssen, ob das Risiko von 30 % nicht relativ hoch ist. Mich macht diese Zahl natürlich auch skeptisch! Aber nicht minder skeptisch machen mich Berichte, die die Prostatakrebs-Vorsorge auf Teufel komm raus propagieren:

„Der CDU-Politiker (saarländischer Gesundheits-Staatssekretär Josef Hecken) untermauerte seine Sicht mit den Zahlen: Prostatakrebs habe in den vergangenen zehn Jahren um über 100 Prozent zugenommen und sei bei Männern seit 1998 bundesweit die verbreitetste Krebsart ... und „wer still vor sich hinleide, obwohl ihm beim Urologen mit wenig Aufwand geholfen werden könne, sei kein echter Mann, sondern eigentlich nicht mehr und weniger als ein echter Trottel†œ..; so die Ärzte Zeitung vom 13.11.2002.

Vorerst ziehe ich es noch vor ein „echter Trottel†œ zu sein und weiter auf Informationen zu hoffen, die mir Risiken und Nutzen von Diagnose und Therapie glaubhafter darstellen als es bisher der Fall ist.

Der Chefarzt (Hämatologe und Vater von vier Kindern) einer Kurklinik, in der vorwiegend an Brust- und Prostatakrebs Erkrankte weiterbehandelt werden, hat mir in einem längeren Gespräch auf meine Frage, was er persönlich in meiner Lage tun würde, klipp und klar geantwortet, dass er sich auf keinen Fall einer radikalen Prostatektomie aussetzen würde und er deshalb auch nicht an seinem PSA-Wert interessiert sei. Ich teile zwar diese Ansicht nicht, denn bei einem über den Graubereich hinausgehenden PSA-Wert würde ich auf eine weitergehende Diagnose und Therapie nicht verzichten, jedoch signalisiert mir diese
verblüffende Einstellung eines Hämatologen, dass bei dieser Problematik äußerste Vorsicht geboten ist.


Nachtrag 4. Juni 2003:

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien am 23. April 2003 auf der Seite „Natur und Wissenschaft†œ der Artikel:
„Ein schlüpfriger Test†œ
†“ Krebsvorsorge im Zwiespalt: Der Fall Prostata entzweit Mediziner -..

Mit dem „schlüpfrigen Test†œ ist der PSA-Test gemeint. Zitat FAZ.

...†œDabei geht es freilich um nichts weniger als um die Frage, wie aussagekräftig und robust ein Früherkennungstest wirklich sein muss, um den erhofften Nutzen auch wirklich zu erzielen. Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin in Freiburg jedenfalls bestreitet, dass dies für den Test zur Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) der Fall ist. Es gebe keine einzige Studie, die unmissverständlich zeige, dass durch den Einsatz dieses Testes weniger Männer an Prostatakrebs sterben.†œ

Diese Aussage passt erstaunlich gut zu der vorgenannten Aussage des Hämatologen aus der Kurklinik, in der meine Frau wegen Ihrer Brustkrebserkrankung wiederholt zur Kur war.

Weiter heißt es im FAZ-Text, dass zwar im fortgeschrittenen Alter rund fünfzig von hundert Männern Prostatakrebs haben, aber bei 80 % dieser Männer verursacht der Krebs keinerlei Beschwerden und wird auch nicht die Todesursache sein. Dies Männer müssten eigentlich nicht behandelt werden und profitierten daher auch nicht von einer Früherkennung, sondern werden dadurch eher belastet.

Bei 10% dieser Männer ist der Tumor so weit fortgeschritten ist, dass ihnen keine Behandlung mehr helfen wird. Auch Sie profitieren nicht von der Früherkennung, sondern werden nur früher mit ihrem unausweichlichen Schicksal konfrontiert.

Statistisch profitieren nur 5 Männer, aber diese Gruppe kann durch den Test nicht zweifelsfrei identifiziert werden. „Selbst eine Gewebeprobe zeigt nicht eindeutig, wie aggressiv oder wenig aggressive der Tumor ist. Das haben Angelo M. DeMarzo und seine Kollegen von der John Hopkins University School of Medicine in Baltimore auch im New England Journal of Medicine gezeigt (Bd. 361, S. 955).†œ

Das bedeutet also, dass nach Anwendung des PSA Tests viel mehr Männer als nötig behandelt werden, denn den 10% die sterben, stehen noch 90 % gegenüber, die nicht sterben.
Von diesen Männern bezahlen viele die „Heilung†œ mit Erektionsstörungen und mangelnder Kontrolle der Blase. Die ausgezeichnet Heilungsrate bei den statistisch 5 Männern (10%) die profitieren ( abhängig vom Stadium der Erkrankung und der gesundheitlichen Verfassung werden 80 % bis 90% der operierten Patienten geheilt), wird allen potentiellen Patienten als Argument für die Behandlung angedient, obwohl davon viele dafür unnötig mit Impotenz und Inkontinenz bezahlen müssen.

Der F.A.Z. Artikel schließt mit der Feststellung:
„Ein amerikanisches Gremium, die Präventive Service Task Force, hat im vergangenen Jahr beschlossen, den Nachweis des prostataspezifischen Antigens nicht zur Früherkennung von Prostatakrebs einzusetzen. Auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt den Test nicht für die Krebsfrüherkennung.†œ

Nach diesem Artikel habe ich mich noch intensiver mit dem Statistik Problem beschäftigt und dabei festgestellt, dass nicht nur Laien mit statistischem Denken enorme Probleme haben, sondern in erstaunlich hohem Maße auch Ärzte.

Vor über 60 Jahren schrieb H.G. Wells in seiner „Zeitmaschine†œ: „eines Tages werden wir erkennen, dass statistisches Denken für mündige Bürger genauso notwendig ist wie die Fähigkeiten zu Lesen und Schreiben†œ. Nachdem ich in einem Buch über kognitive Fehlleistungen und ihre Ursachen den Artikel „Die Repräsentation von Information und ihre
Auswirkung auf statisches Denken†œ gelesen habe, scheint dieser Tag noch in weitere Ferne zu liegen.

In diesem Beitrag wird z.B. eine Harvard-Medical-School Studie erwähnt, in der 60 Professoren, Ärzte und Studenten der Harvard Medical School ihr Urteil für das folgende Diagnose-Problem abgaben:

„Wenn ein Test für eine Krankheit mit einer Basisrate von 1/1000 (ein Krebsfall auf 1000 Personen) eine Falsch-Positiv-Rate von 5 % hat, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit einem positiven Testergebnis tatsächlich die Krankheit hat, angenommen Sie wissen nichts weiter über die Symptome und Krankheitszeichen der Person?†œ

Das häufigste Urteil der Professoren, Ärzte und Studenten war 95%. Nur 11 Personen wussten die korrekte Antwort, nämlich 2% Wahrscheinlichkeit. Das ist ein erstaunliches und zu denken gebendes Ergebnis, vor allem wenn man noch bedenkt, an welch einem renommierten Institut die Studie stattfand.

Immerhin wurde die Krankheitswahrscheinlichkeit von der Mehrheit der medizinisch ausgebildeten Personen um das 46fache überschätzt. Dabei ist die Rechnung an sich recht einfach:

Von 1000 Personen erkrankt eine Person. Bei einer Falsch-Positiv-Rate von 5% sind bei 999 nicht erkrankten Personen 50 Personen, bei denen der Test positiv ausfallen wird. Mit der einen erkrankten Person gibt es also 51 Personen mit einem positiven Test, so dass der gesuchte Anteil bei 1 zu 51 Personen liegt. Bei 1 zu 51 beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass eine positiv getestete Person tatsächlich die Krankheit hat, bei ca. 2%. Bei diesem Beispiel wurde eine perfekte Sensitivität des Test vorausgesetzt, was in der Realität nicht der Fall ist. Ginge man hier z.B. von einer Sensitivität von 0,8 aus, dann würde die Wahrscheinlichkeit bei 1,6% liegen und bei geringerer Sensitivität würde der Wert noch etwas kleiner werden.

Ein ähnlich verblüffendes Resultat wurde bei der Befragung von Ärzten festgestellt. Bei einer Frau wird bei einer Mammographie ein positives Testergebnis gefunden. Die Frau will wissen, wie wahrscheinlich es sei, dass sie wirklich an Brustkrebs erkrankt sei. 99% oder 90% oder
50%, das würde ja einen Unterschied machen. Der Arzt meint, da die Zuverlässigkeit der Mammographie bei 80% liegt, wäre die Wahrscheinlichkeit 80%, dass sie Krebs habe.

In Wirklichkeit liegt die Wahrscheinlichkeit nach dem Theorem von Bayes nur bei etwa 8% und nicht bei 80%. Das dies keine Ausnahmefall war, hat ein Test (EDDY 1982) erbracht.
95 von 100 Ärzten schätzten die Wahrscheinlichkeit von Brustkrebs nach positivem Test auf etwa 75%. Erwähnt wurde noch, dass solche gravierende Fehlschlüsse sogar in medizinischen Lehrbüchern für Krebsdiagnose vorkommen.

Wie wenig fundiert und fragwürdig medizinische „Erkenntnisse†œ nicht selten daherkommen, konnte ich kürzlich wieder feststellen. Anfang Mai 2003 ging es in einer großaufgemachten HÖRZU-Titelstory um „Pollenflug, verrücktes Immunsystem†œ und vor allem um „Allergien bei Kindern†œ. Ein Fazit des medizinische Kompetenz vorgebenden Berichts war, dass „Stillen die beste Vorbeugung†œ ist. „Zahlreiche Studien zeigen, dass die Ernährung in den ersten sechs Monaten ausschließlich mit Muttermilch die beste Allergievorbeugung ist ... „ war da aus der
„Quelle: Deutsche Haut- und Allergiehilfe†œ zu hören. †“

Hoppla, gerade hatte ich noch mal einen Bericht der F.A.Z. vom 25.09.2002 mit dem Titel „Vergrößerte Prostata falsch behandelt?†œ gelesen. Auf der gleichen Seite „Natur und Wissenschaft†œ stand neben dem aktuellen Kongressbericht zur Prostatabehandlung das
Ergebnis von Forschern aus Kanada und Neuseeland über die Vor- und Nachteile des Stillens.

„Höheres Allergierisiko durch Stillen?†œ, titelte der Bericht und führt u.a. aus: ...†œEs zeigte sich, dass bei Kindern, die länger als vier Wochen gestillt worden waren, das Risiko für Allergien und Asthma auf das Doppelte erhöht war („Lancet†œ, Bd. 360, S. 901)†œ. Man nimmt verwundert zur Kenntnis, dass das Beste und das Schlechteste in medizinischer Aufklärung identisch sein können.

Wenn schon das Stillen unter Fachleuten so kontrovers diskutiert, dann, so empfinde ich es als Laie auf medizinischem Gebiet, ist erst recht beim Thema Prostatakrebs große Skepsis angebracht.

In einem Bericht aus dem Schweizer „PULSTIPP†œ mit dem Titel „Abwarten ist oft die beste Therapie†œ ist im Juni 2003 u.a. zu lesen:
„Das Abwarten †“ in der Fachsprache „Watchful Waiting†œ genannt †“ ist eine anerkannte Strategie bei Prostatakrebs. Studien haben gezeigt, dass über 80 Prozent der Männer, die sich nicht behandeln lassen, innerhalb von zehn Jahren nicht am Krebs starben, denn der Tumor wächst sehr langsam.†œ

Weiter heißt es:
„Professor Ben L. Pfeifer an der Äskulap-Klinik in Brunnen hat die verschiedenen Therapien gegen Prostatakrebs verglichen und kommt in seiner Studie zum Schluss: †œMomentan wissen wir von keiner Behandlung verlässlich, dass sie zur Heilung führt, lebensverlängernd wirkt oder dem Patienten längerfristig mehr Vor- als Nachteile bringt†œ.... „Viele Urologen empfehlen ... das Prostata-Screening. Ihr Ziel: Prostatakrebs möglichst früh zu erkennen. Bisher konnten
Wissenschaftler nicht nachweisen, dass deswegen tatsächlich weniger Männer an Prostatakrebs sterben.†œ

Der „Krebsspezialist Christian Marti aus Winterthur†œ wird in dem Bericht wie folgt zitiert:
„Es ist noch immer umstritten, ob die Überlebenschance der Patienten steigt, wenn man sie früh behandelt†œ ... und weiter „Auch die Weltgesundheitsorganisation spricht sich gegen das Screening aus†œ ... Zudem wird mit der Vorsorgeuntersuchung auch Krebs entdeckt, der den Patienten zeitlebens gar nie gestört hätte. Von den 70 bis 80 Jährigen hat ungefähr jeder zweite Mann Krebs in der Prostata, aber nur 4 von 10.000 sterben daran†œ.

In der FAZ Leserdiskussion zu dem am 23.04.2003 erschienen Artikel „Ein schlüpfriger Test †“ Krebsvorsorge im Zwiespalt†œ schreibt Prof. Dr. P. Fornara vom Universitätsklinikum Halle-Wittenberg in einem Leserbrief; FAZ vom 6. Mai 2003, u.a.:
„ Der Deutschen Gesellschaft für Urologie ist natürlich bewusst, dass die formale Evidenz nach den anerkannten Kriterien der evidenzbasierenden Medizin einer Senkung der prostataspezifischen Modalität (??? - als Laie lese ich hier Mortalität) noch nicht vor vorliegt†œ.
Er geht aber aufgrund von „Zwischenergebnissen mehrere Studien aus den Vereinigten Staaten, aus Kanada und Europa†œ insgesamt von „einer Senkung der Sterblichkeit der Prostatakarzinom-Patienten um mindestens 6 Prozent†œ aus.

Wiederum fragt man sich als Laie, was diese noch fraglichen „mindestens 6 Prozent†œ in Anbetracht der erheblichen „Kollateralschäden†œ - medizinisch von Nebenwirkungen zu sprechen scheint mir bei einer radikalen Prostatektomie zu euphemistisch - einzuschätzen sind.

In Anbetracht der vielen offenen Fragen tendiere ich weiter zum abwartenden Beobachten, zumal man zur Zeit laufend von neuen Verfahren hört.

So war vor eineigen Wochen in einer BBC Nachrichtensendung zu hören, dass einem Forscherteam eine Krebsimpfung gelungen sei.

Meine Anfrage beim Cancer Research Institute in London ergab, dass am Cancer Institute
der University of Pittsburgh ein cancer vaccine entwickelt wurde. Von der Berliner Charité wurde Mitte Juni in der Presse von einer Tumor Impfung mit magnetischen Nanoteilchen und anschließender Überwärmung des Tumors berichtet. Außerdem soll man dort an einem Laser-Hauttest arbeiten, der bei Brust- und Prostatakrebs in absehbarer Zeit die Biopsie ersetzen könnte.

Abwarten und hoffen scheint mir also weiterhin ein vertretbares Risiko zu sein.

Recherche Stand 30.06.2003

Nachtrag 5. August 2003:

Inzwischen habe ich im Juli 2003 das Früherkennungsprogramm „ANNA†œ an der Homburger Uniklinik kennen gelernt. Vom Besuch des „Zentrums für Prostatadiagnostik†œ hatte ich mehr Aufklärung erwartet und gehofft, dass ich danach meine Zweifel bezüglich meines weiteren Vorgehens besser einschätzen könnte. Bezüglich dieser Hoffnung bin ich aber enttäuscht worden.

Noch vor dem Gespräch mit dem untersuchenden Arzt wurde mit eine Patientenerklärung zur Unterschrift vorgelegt, mit der ich einer Biopsie zustimmen sollte. Ich hatte bereits im Januar 2003, bei meiner Anmeldung für den Termin im Juli 2003, in meinem Anschreiben ausdrück-lich auf meine Bedenken zur Diagnose und Behandlung hingewiesen und den hier in Rede stehenden Text dem Schreiben beigefügt. Ich war daher im Juli 2003 davon ausgegangen, dass meine Zweifel und Vorbehalte bekannt seien. Das war aber leider nicht so, denn die Diskussion zwischen dem Arzt und mir begann ganz von vorne, als ich ihm die Patienten-erklärung unausgefüllt übergab.

Offensichtlich hatte keiner meinen Text gelesen. Da er auch nicht der Behandlungsakte beilag, ist er vermutlich unbeachtet im Papierkorb gelandet. Es folgte also eine ganz frische
Diskussion und es dauerte wertvolle Zeit, bis die beiderseitigen Standpunkte ausgetauscht waren. Die verständliche Folge war, das am Ende sowohl der Arzt und natürlich auch ich irritiert waren und das Gespräch eher angespannt und weit entfernt von einen idealen Arzt / Patienten Dialog verlief.

Ich war nicht bereit einer sechsfachen Stanzbiopsie zuzustimmen und der Arzt lehnte schließlich eine Diagnose mit „ANNA†œ ab, ohne mein vorheriges Einverständnis für die Biopsie zu haben. Derart vor die Alternative gestellt, habe ich mir ½ Stunde Bedenkzeit erbeten.

Ich habe dann mit meiner Frau in der Warteecke im Klinikflur überlegt, ob ich einer Biopsie zustimmen soll oder nicht. Wir hatten nun den relativ weiten Weg von Frankfurt nach Homburg an der Saar gemacht, hatten dort für einige Tage ein Quartier gebucht, für den Fall, dass die Diagnose weitere Entscheidungen zweckmäßig erscheinen ließ und wollten jetzt nicht unverrichteter Dinge den Termin platzen lassen.

Auf unsere leise geführte Diskussion wurde ein anderer wartender Patient aufmerksam und klinkte sich in unser Gespräch ein. Dieser Patient war eigens von München angereist und wollte ebenfalls eine unblutige Diagnose. Seine PSA Werte schwankten ebenfalls um die
10 ng/ml. Er hatte schon zwei negative Stanzbiopsien mit gewissen Komplikationen hinter sich und wollte auf keinen Fall einer erneuten Biopsie zustimmen. Auch er versprach sich von „ANNA†œ eine aussagekräftige ungefährliche Diagnose.

Während wir im Gespräch waren, kamen zwei Saarländer aus dem Sprechzimmer, die den Behandlungstermin abbrachen, weil sie die Biopsie nicht eingeplant hatten und daher auch konsequent bei dieser Einstellung blieben.

Ermutigt durch diese Begegnungen, die mir zeigten, dass ich mit meinem Zweifel und vorsichtigen Verhalten nicht alleine war, habe ich mich dann entschlossen, ebenfalls bei meiner vorgefassten Meinung zu bleiben. Ich habe den Arzt schließlich höflich aber bestimmt, unter Hinweis auf meine lange Anfahrt, gebeten, die Diagnose auch ohne folgende Biopsie durchzuführen. Obwohl er im vorherigen Gespräch gesagt hatte, dass dies keinen Sinn mache, war er dann doch, zu meiner Überraschung und Freude dazu bereit.

Was folgte, war eine schnelle und, wie ich meine, auch recht dürftige Diagnose. Auf dem dritten Bildschirm, auf dem die Auswertung des „ANNA†œ Programms sichtbar gemacht wurde, blinkten in der Mitte des transrektalen Ultraschallbildes insgesamt 11 Rechtecke rot markiert auf. Auf dem folgenden Ausdruck war dann zu lesen,

dass meine Prostata vergrößert sei,
das Volumen 45 ml betrage,
dass eine Zyste vorhanden sei,
dass Hinweise auf eine Prostatitis und Verkalkung vorhanden sind und
dass in der mittlerer Lage ein Malignitätsverdacht zu diagnostizieren sei.

Meine Frage, ob nach diesem Kurzbefund mein behandelnder Urologe einen ausführlicheren Bericht erhalte, wurde verneint. Ich hätte nun natürlich gerne erfahren, wie diese Diagnose zu bewerten ist. Leider versagte in diesem entscheidenden Moment das wünschenswerte gute

Arzt Patienten Verhältnis. Das gespannte Vorgespräch, die Bemerkung des Arztes, dass ich seine Zeit schon über Gebühr in Anspruch genommen hätte, hielten mich dann schließlich
davon ab das Gespräch weiterzuführen, zumal ich durch meine Ablehnung der Biopsie in einer schwächeren Argumentationsposition war. Auch schien mir der Arzt nicht gerade seinen besten Tag zu haben. Beide seiner Ellbogen waren voller Schürfwunden als sei er gerade mit dem Fahrrad oder Motorrad verunglückt und über den Asphalt gerutscht.

Ich habe also mit einem Malignitätsverdacht die Heimreise angetreten und der diffusen Frage im Hinterkopf, wie ist die Computerdiagnose „ANNA†œ zu bewerten. Als Programmierer weiß ich natürlich das Resultate nicht nur vom Input abhängen, sondern ganz entscheidend auch von der Verarbeitung der eingegebenen Bits und Bytes abhängt. Aber die Gedanken helfen mir nicht weiter. Alles läuft letztendlich auf die Frage Biopsie ja oder nein hinaus.

(Nachträgliche Einfügung Ostern 2005: Der „ANNA†œ Spezialist ist nicht mehr in Homburg Saar, wohin er, nach meinen Informationen, mit seinem Chef vom UNI-Klinikum Kiel umgezogen war. Inzwischen ist er wieder zurück nach Schleswig-Holstein gegangen und hat „ANNA†œ jetzt in einem Krankenhaus in Flensburg eingerichtet. Da eine kassenärztliche Zulassung fehlt, kosten Untersuchung und Biopsie jetzt einige hundert Euro.)

Nachdem ich inzwischen die Problematik erneut eingehend mit meinem Urologen erörtert habe, bin ich zu der Ansicht gekommen weiter auf eine Beobachtungsstrategie zu setzten. Mir fehlt immer noch das nötige Vertrauen in die derzeitige Krebsdiagnostik. Die in Homburg gemachten Erfahrungen waren auch nicht dazu angetan, mich von dieser skeptischen Haltung abzubringen.

Von einem Bekannten aus Amerika wurde ich Ende Juli 2003 auf eine Studie aufmerksam gemacht, in der unter dem Titel „Under the knife, Under the Gun†œ, Ärzte des Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle schätzen, dass „die PSA Vorsorge zu einer Überdiagnose-Rate von über 40% führt†œ; ...„PSA may result in an over-diagnosis rate of more than 40 percent... Benfits of cancer screening are uncertain to say the least ...†œ

Ich bin oben schon einmal von der Prostatakrebsvorsorge auf die Brustkrebsvorsorge ausgewichen um die allgemeine Problematik der Krebsvorsorge zu beleuchten. Nach dem ich auch da eine sehr kontroverse Diskussion ausgemacht habe, war ich nicht überrascht, als mir mein Bruder nun einen Bericht aus der Neuen Züricher Zeitung vom 19. Juni 2003 übergab.
Dort heißt es unter dem Titel „Brustkrebs in Europa Todesursache Nr. 1 †“ Früherkennung soll Leben retten†œ im zweiten Absatz unter der Überschrift: „Weltweit steigende Erkrankungsraten†œ:

„Weltweit weisen alle Industriestaaten mit Ausnahme von Japan hohe Erkrankungsraten auf, doch bestehen große Unterschiede zwischen einzelnen Staaten. Spitzenwerte bei den Neuerkrankungen pro 100.000 Frauen verzeichneten die Niederlande (91,6), Dänemark (86,2), Frankreich (83,2), Belgien (82,2), und Schweden (81), während die Raten in



Griechenland (47,6) und Spanien (47,9) und Beitrittsstaaten wie Litauen (39,8) und Lettland (42,2) weitaus niedriger lagen.†œ

Man reibt sich die Augen. Ist nicht Holland das Land, das den deutschen Frauen als Vorbild in der Brustkrebsvorsorge vorgehalten wird. Warum hat ausgerechnet dieses Land mit Abstand die höchste Rate der Brustkrebsneuerkrankungen.

Mir ist schon bei den Statistiken des Nationalen Krebsbekämpfungsprogramm des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit und der Schweizer Krebsliga aufgefallen, dass Erkrankungsraten beim Prostatakrebs in vielen Ostblockländern um ein vielfaches unter den Erkrankungsraten der westeuropäischen Industrieländer liegt.

Auch bei der vorgenannten Statistik über die Brustkrebs-Erkrankungsrate, die dem EU-Parlament in Straßburg zur Entscheidungsfindung vorliegt, ist auffällig, dass die Erkrankungs-rate in den Niederlanden um gut 100 % über der Erkrankungsrate von Litauen bzw. Lettland liegt. - Was soll man davon halten?

In dem gleichen Artikel der Neuen Züricher Zeitung steht eine kleine eingegrenzte Textinsel mit dem Titel „Mammakarzinom bei Männern†œ. Dort heißt es u.a.
„Brustkrebs ist eine typische Frauenkrankheit. Doch auch Männer können daran erkranken, da sie ebenfalls Brustdrüsengewebe besitzen†œ... und weiter heißt es bei den Risikofaktoren an erster Stelle „als Risikofaktoren gelten Strahlenbelastungen ....†œ

„Strahlenbelastungen†œ? .... siehe oben! Von 1000 Frauen haben 999 Frauen keinen Nutzen vom Screening. Von 1000 Frauen wird eine Frau durch das Screening gerettet, aber 1000 Frauen werden beim flächendeckenden Screening einer Strahlenbelastung ausgesetzt.

Ist es wirklich eine laienhafte Ansicht, wenn man aufgrund der statistischer Zahlen vermutet kann, dass die höchste Erkrankungsrate in den Niederlanden etwas mit den flächendeckenden strahlenbelastenden Vorsorgeuntersuchungen in den Niederlanden zu tun haben könnte?
Ist man wirklich schlecht beraten, wenn man sich trotz der Krebsgefahr abwartend verhält und auch das gebührend gewichtet, was man bei der Krebsdebatte zwischen den Zeilen lesen kann? Ich setze, wie gesagt, weiter auf Abwarten.

Im übrigen erscheinen laufend Berichte über Fortschritte bei der Krebsbekämpfung. In der F.A.Z. kann man im medizinischen Teil regelmäßig über recht interessante Ansätze bei der Krebsbekämpfung lesen.

Am 19.02.2003 wurde unter dem F.A.Z. Titel „Künstliches Altern für Krebszellen†œ über programmiertes Absterben von Krebszellen von einem Forschungsprojekt beim Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried berichtet. Am 02.07.2003 wurde über Prostatakrebs unter dem F.A.Z. Titel: „Kein Versteck für Krebszellen †“ Neues Verfahren macht befallene Lymphknoten zuverlässig sichtbar†œ über ein neues Bildgebungsverfahren und deren Ergebnisse an der Harvard Medical School in Boston und dem Universitätsklinikum in Nijmwegen berichtet. Am 16.07.2003 wurde unter dem F.A.Z. Titel: „Krebsherde ohne Pipelines †“ Blockierung der Blutversorgung soll Tumore aushungern†œ von Fortschritten im Klinikum für Tumorbiologie in Freiburg berichtet.

Es tut sich also eine ganze Menge. Warum sich also vorschnell unters Messer begeben, wenn es vermutlich in einigen Jahren Erkenntnisse gibt, die heutige Ratschläge zwar als gutgemeint aber nicht als ausreichend gut begründet ausweisen werden?

Recherche Stand 5. August 2003 -
       

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