Vater mit 70 Jahren an Prostatacarcinom verstorben, wurde von mir in einem hinteren Hirnabschnitt
registriert und nicht weiter beachtet, auch nicht, als meine Probleme beim Wasserlassen begannen.
Angeblich ist das typisch für Ärzte.
Vom Sommer 2011 bis zum Jahresende Brennen beim Wasserlassen, erschwerte Miktion, Harnstrahl wurde
immer dünner. Bald kannte mich auf meiner Laufstrecke jeder Baum.
Meine Frau mahnte Besuch bei einem Urologen an, was ich von mir wies.
Da Nephrologen Vorbehalte gegenüber Urologen haben (meistens) dauerte bis zum Januar 2012,
ehe ich dem Rat meiner Frau Folge leistete.
Mein früherer Sozius empfahl einen Prof.G., der in seiner Nachbarschaft eine Privatpraxis betrieb.
Dieser Ratschlag belastete später unsere Freundschaft auf das Stärkste.(nicht wirklich, natürlich)
Prof.G. sonographierte meine Prostata und führte eine Tastuntersuchung durch. Danach war er
sich sicher, daß es sich um eine harmlose BPH handelte (PSA unter 1,0).
Volumen 55 g, deutlich verhärtet aber keine Knoten.
Maßnahme: Tamsolusin und Finasterid, außerdem für 14 Tage einen Harnröhrenkatheter,
da über 100 ml Restharn.
Die bald darauf einsetzenden septischen Temperaturen deutete er als Prostatitis und
verordnete Cotrim. Das Vollbild einer Pyelonephritis übersah er leider. Die Fieberschübe hielten mehrere
Wochen an, ehe ich selbst anfing, nachzudenken. Ich war ein gutgläubiger Patient (mea culpa).
Im Urin befanden sich massenhaft coliforme Keime, die erfolgreich gemäß Antibiogramm
behandelt wurden
Da der Urin weiterhin nicht ablaufen wollte, erfolgte eine Anmeldung zur Holmiumlaserbehandlung
im Universitätskrankenhaus Eppendorf (
Dr.Heuer).Am 17.7.2012 wurden 20 g Drüsengewebe entfernt.
Der Eingriff verlief problemlos, nach 2 Tagen war ich wieder zu Hause. Der sog.
Peak Flow war mit 41,7 ml rekordverdächtig. Alles war wieder gut!
Das große Elend begann 4 Wochen später, als ich per Telefon
informiert wurde, daß man einen hochagressiven Krebs entdeckt hatte.
Das Morcenat (durch den Laser entferntes Prostatagewebe) enthielt zu 70 Prozent
Tumorgewebe.
Am
25.August wurde ich von
Prof.Graefen in der Martiniklinik operiert (
radikale.suprapub. Op., 23 Lympknoten
wurden enfernt). Über eine Alternative hatte ich gar nicht erst nachgedacht..
Prof.Graefen wurde seinem Ruf voll gerecht. Noch einmal meinen herzlichen Dank.
Post.op. nur anfänglich Schmerzmittel. Entlassung
mit Katheter nach 3 1/2 Tagen, sofort kontinent.
Pathologie:
Histolog. wenig differenziertes Adenocarcinom, Gleason 4 plus 5=9, Anteil Gleason 3 5 Prozent
Gleason 4 80 Prozent, Gleason 5 15 Prozent.
Tumorbefall beider Prostatalappen panprostatisch, Tumorausdehnung 44 mm,
Ausgeprägter Tumorbefall von Perineuralscheiden, Tumorinfiltration des periprostatischen
Fettgewebes in 22 Blöcken mit Schwerpunkt links (23 mm hoch, 18 mm breit, 6 mm tief,)
Tumorinfiltration beider Samenblasen, Tumorbefall der Absatzränder beider Samenleiter.
Tumorkontakt mit dem chirurgischen Resektionsrand in 7 Blöcken mit Schwerpunkt links basal.
Urothel der prostatischen Harnröhre ohne Dysplasie.
Rechts 1 befallener Lymphknoten (11 mm messend), 12 tumorfreie LK(1/13)
Links 2 tumorbefallene LK (maximal 20 mm messend) 8 tumorfrei (2/10)
Immunhistologie: PSA: zytoplasmatisch positiv in einzelnen Tumorarealen (20 Prozent
der Tumormasse)
PSAP: kräftig zytoplasmatisch positiv im Karzinom
PSMA: kräftig membranös positiv im Karzinom
Androgenrezeptor: kräftig-mäßig stark positiv in 50 Prozent der Tumormasse.
Der Befund kann den serologisch gemessenen niedrigen PSA Wert erklären.
Nach dem Eingriff erholte ich mich rasch und konnte bis zur Einleitung der
adjuvanten Radiatio fast täglich joggen.
Bestrahlung (IMRT) im Hubertus Wald Strahlenzentrum des UKE mit
38 mal 1,8 Gy.
Erst in der letzten Woche leichte Beschwerden (Brennen in der Harnröhre, Harnverhalt
nach der letzten Bestrahlung (Tamsulosin brachte schnelle Besserung, keine Katether.
PSA Wert danach 3 Jahre nicht messbar, keine weitere Therapie.
Ab Sommer 2016 Probleme beim Wasserlassen. Harnwegsinfekt mit Ciprobacter Koseri.
Eine retrograde Urethragraphie zeigte eine 3 1/2 cm lange Urethrastriktur plus Blasenhalsenge.
Da nach Ausheilung des Infektes (Ciprobay) die Blase, wenn auch mit Mühe,
ohne Restharn entleert werden konnte, keine Zustimmung zu einer Intervention
(z.B. Bougieren, Schlitzen oder Mundschleimhautplastik).
Noch 2 mal Harnverhalt in den kommenden Jahren. Unter Androhung eines
suprapubischen Katheters schaffte ich jeweils in letzter Sekunde die ersehnte Spontanmiktion.
Im Oktober 2016 umschriebene Rückenschmerzen im oberen Thoraxbereich.
PSA Anstieg von nicht meßbar auf 0,2 ng/ml.
PSMA-Pet/CT Befund: Oligometastase BWK 4 Dornfortsatz
Therapie: radiochirurgisch in 5 Sitzungen (insgesamt 35 Gy) im Strahlenzentrum
Hamburg (Prof Seegenschmiedt).
Beginn mit ASS 100 mg und Granatapfelsaft (verursachte Magenprobleme, half leider
nicht). Weiterer PSA mit immer kürzer PSAVZ.
Im Februar 2017 PSA Anstieg auf 0,36 ng/ml,
Befund PSMA-Pet/CT (Nuklearmedizin Spitalerhof:
an Intensität gegenüber 11/2016 rückläufige PSMA-Akkumulation im Dornfortsatz des BWK 4 ,
SUV 4,5 - zuvor 8), Durchmesser ca. 13 mm.
Außerdem eine weitere Metastase im proximalen/ventro-medialen Femur rechts (ca. 10 mm
im DM, SUV max. 5,3). Ohne Schmerzsymptomatik.
Cyberknife in Güstrow (3 mal 9,0 Gy), sehr empfehlenswertes Zentrum.
Nach erneutem PSA Anstieg auf 0,45 ng/ml, begleitet von einem Anstieg der
Alk.Phosphatase
auf max. 234 E, erneute PSMA-Pet/CT, wieder in der Nuklearmedizin Spitalerhof, (27.4.2017)
Es zeigte sich eine polytope ossäre Metastasierung.(BWK 4 bis 6), Clavicula rechts medial,
Os ileum multifokal.
Beginn einer Hormontherapie (Einleitung mit Bicalutamid, danach Trenantone alle
3 Monate.
PSA Werte danach nicht meßbar, Testosteron im Kastrationsbereich aber meßbar
(wiederholt um 0,5 nMol/l., z.B. 3.01.2018)
1 Jahr Ruhe.
Zunahme der Rückenschmerzen (Verzicht auf Analgetika möglich) Anfang 2018
Da der derzeit konsultierte Urologe nicht reagierte, veranlasste mein Sohn
eine MRT Untersuchung in der Röntgenpraxis Heegbarg.
Der Befund schockte selbst mich, der die Existenz einer Krebserkrankung weitgehend
ignorieren konnte und sich einer hohen Lebensqualität erfreuen durfte.
Im Spätsommer 2017 konnte ich es immerhin noch wagen, einen 4000er Gipfel anzugreifen (Breithorn, Zermatt).
Ohne Vorbereitung schaffte ich es bis 100 m unter den Gipfel (bei idealen Bedingungen),
ehe ich völlig erschöpft aufgeben mußte und die Matterhornbahn nur mit Hilfe meines
Bruders erreichte. Der Brocken machte später weniger Probleme.
Regelmäßige Teste auf meinem Ergometer waren derzeit noch zufriedenstellend.
Im Intervalltraining waren Belastungen über 300 Watt noch möglich (jeweils 1 Minute).
Außer Schwitzen und Dysbalancen nach multiplen Sportverletzungen ( 5 mal Knieop.)
ging es mir gut. Die diversen Arthrosen (Knie, Hüfte, Füße) verursachten keine Schmerzen.
Das MRT am 21.4.2018 zeigte eine schrottreife Halswirbelsäule mit Foraminalstenosen, Bandscheibenvorfällen
und weiteren Scheußlichkeiten, was mich überraschte, da ich nie Probleme mit der HWS hatte.
Keine Metastasen, immerhin.
Die BWS sah erschreckend aus: Angedeutete, konturüberschreitende Metastase
im gesamten Querfortsatz von BWK 2 links, teilweise konturüberschreitende Metastasen
dorsal im Bogen von BWK 3 mit Einbeziehung des rechten Querfortsatzes, in BWK 4 waren
dorsale Anteile des Wirbelkörpers beidseits befallen.
Der Spinalkanal war dorsal von BWK 4 mit Aufhebung des Epiduralraumes verschmälert.
Eine Kompression des Duraschlauchs war nicht erkennbar. Dier weiteren Metastasen im
Os.ileum erwähne ich nur am Rande. Auch die
8.Rippe hatte es erwischt. Keine Weichteilmetastasen,
keine Lymphmetastasen.
Was tun? Eine Strahlentherapie wurde seitens der Eppendorfer Strahlentherapeuten abgelehnt,
da durch die Cyberknife Behandung in 2016 die zulässige Strahlendosis erreicht
wurde. Eine erneute Betrahlung hätte zu einer gravierenden Rückenmarksschädigung geführt.
Es mußte operiert werden, um eine drohende Querschnittslähmung zu verhindern
Praeoperativ wurde im UKE noch eine PSMA-Pet/Ct Untersuchung durchgeführt.
Zu den bekannten Herden kamen noch pathologische Frakturen der
Dornfortsätze BWK 4 und 5. Kein Lokalrezidiv.
Der PSA Wert betrug übrigens 0,04 ng/ml.
Prof.Steuber (Martiniklinik) konnte glücklicherweise eine neuroendokrine
Differenzierung ausschließen. NSE im Normbereich, CGA dito.
Am 15.5.2018 erfolgte im Universitätskrankenhaus Eppendorf eine dorsale
Instrumentation und Spondylodese Th 4 - 6 sowie
Laminektomie und Dekompression Th4 - 6
Leider kam es 3 Tage später zu einer intraspinalen Nachblutung, die zu spät
erkannt wurde.
Ein postoperatives Haematom im Bereich Th 5 und 6 machte eine operative
Haematomentlastung und Nachdekompression erforderlich.
Danach ging es mir echt dreckig. Der Hb hatte sich halbiert (von 16 g% auf 8 g%),
was die Mobilisierung zur Qual machte Mit 85 mmHg Blutdruck macht Gehen keine Freude.
Das Motto lautete: immer an der Wand lang und dann ganz schnell einen Stuhl finden.
Freunde ( fast alles Ärzte) und meine
wunderbaren Kinder waren mir eine große Stütze.
Mit rückläufiger Gangataxie konnte ich nach 14 Tagen die Station verlassen.
Die Gehbeschwerden haben sich leider nicht wirklich rückgebildet. Obwohl ich wirklich
hart trainiert habe. Am ersten Tag zu Hause 300 m Gehstrecke, dann leichte Panik.
Nach 2 Wochen 10 km und mehr (mit Stöcken).
Radfahren geht aber ganz gut. Einige Stürze verliefen glimpflich.
Ab Mai 2018 schlucke ich Zytiga 2 mal 500 mg, plus Prednison 5mg bis Juni 19, danach
wegen zunehmender Rückenbeschwerden Dexamethason 1 mg/die, danach
wieder Beschwerdefreiheit.
Ein Kontroll PSMA-Pet/CT in der Eppendorfer Klinik im November 2018 schloss
eine Progression der Knochenmetastasen weitgehend aus
Der PSA Wert, der nach 1 Jahr auf 0,09 ng/ml angestiegen war, ist jetzt nicht
mehr meßbar. Das Gleiche gilt für den Testosteron-Wert. Die alkalische Phosphatase
liegt stabil bei 150 E.
Außer Zytiga (jetzt seit 17 Monaten) und Dexamethason
schlucke ich nur gelegentlich Vigantol 1000. Zur Vermeidung einer
Hypokaliämie (gelegentlich Rhythmusstörungen) brauche ich Kalinor. Auf
Nahrungsergänzungsmittel verzichte ich, da ich nicht daran glaube.
Keine Reha-Maßnahmen in all den Jahren.
Leider zur Zeit suprapubischer Katheter nach massiver Infektion mit Harnverhalt.
Als besonders unangenehm empfinde ich den Katheter nicht. Tagsüber kann man
ihn mit einem Ventil blockieren. Nachts ist Durchschlafen angesagt.
Jetzt, Ende Oktober 2019, geht es mir recht gut.
Die Ruhepausen werden länger. Belastungen über 200 Watt auf dem Ergometer
fallen schwer. Ein e-Bike mußte her.
An das gelegentliche starke Schwitzen habe ich mich gewöhnt. Der kommende Winter
wird mir helfen. Im Haushalt bin ich noch nützlich (naja, vielleicht habe ich diese
Meinung exklusiv)
Wie kann es weitergehen?
Auf jeden Fall keine Chemo und auch kein Xofigo. Vielleicht gibt es noch
positive Meldungen von Apalutamid (Erleada), bisher noch nicht für
metastasierende Krebse freigegeben.
PSMA-Lutetium 177 würde ich versuchen.
Und wenn es wirklich scheußlich werden sollte, habe ich auch eine Lösung.
Aber bis dahin, volle Konzentration auf die Familie und das gute Leben.
Die Familie ist abgesichert. Immerfort ans Sterben zu denken macht keinen Sinn.
Irgendwann kommt jeder an die Reihe. Vielleicht kommt noch der 80igste Geburtstag.
Allen Leidensgenossen wünsche ich viel Mut und Freude am Leben.
(und vor allen Dingen, gute Ärzte)