d urosport
Drucken

Mein Bericht

Übersetzen auf:
Englisch    
Französisch    
Spanisch    

Datum Δ 

letzter PSA vom

Erfahrungsberichte

       
30.09.2016 1.34 10.11.14
Mein Vater ist mit 70 an Prostatakrebs gestorben, ich habe leider alle Phasen seiner Behandlung mit erleben müssen. Also habe ich beschlossen das Thema der Männergesundheit aktiv zu betreiben und lasse auch den viel gescholtenen PSA-Test auf meine Kosten durchführen. Ich möchte es auch klar sagen, was der Gesetzgeber Männern als Kassenleistung für die Vorsorge bietet ist ein Hohn. Meine Prostata war vier Tage vor der OP noch im Tastbefund unauffällig!
       
01.11.2016 1.34 10.11.14
Ich stelle einen thematischen Bericht voran, der chronologische Bericht ist den PSA-Werten korrekt zugeordet.
Ich fühle mich allen Ärzten und Pflegekräften zu Dank verpflichtet, alle haben an meiner Heilung mitgearbeitet. Die vorangestellten Sätze sollen nur erklären, warum sich bei mir Stimmungsschwankungen einstellen. Die immer bedrohlicher werdende Diagnose, kurze Phasen der Entwarnung, um beim nächsten Termin von einer noch schlimmeren Diagnose getroffen zu werden. In einer Situation der größten Verunsicherung hätte ich mir mehr Einheitlichkeit bei einer so häufigen Krebserkrankung erwartet.

Die Ärzte:
mein Horrortrip durch die Krankheit beginnt:
"Der PSA-Wert ist zu hoch, das müssen wir abklären.
Wir haben eine kleine suspekte Stelle gefunden.
In Ihrem Alter gibt es doch keine Alternative, radikale Entfernung der Prostata!
Machen Sie sich keine Sorgen, meistens bestätigt sich der Verdacht bei symptomlosen Zufallsbefunden nicht.
Neun von elf Stanzen sind positiv, Sie haben einen massiven Befund, wir müssen handeln, selbst wenn Sie schon älter wären."
Nach der OP, Hormontherapie!
"Der Krebs ist lokal auf die Prostata begrenzt, Knochen und Lymphbahnen sind ohne Befund.
Das ist der beste Befund den Sie in Ihrer Situation erhalten konnten. Bei Inkontinenz gibt es viele Zwischenstufen.
Wahrscheinlich führen Operation oder Bestrahlung, beides zu einem guten Ergebnis, aber die Entscheidung soll sich gut für Sie anfühlen.
Wenn Sie sich als Erstbehandlung für die Bestrahlung entscheiden, geben Sie die Bestrahlung als 2. Waffe aus der Hand! Es geht nur erst OP dann Bestrahlung, nicht anders herum, da würden wir mehr schaden als nützen.
HiFu diskutiere ich mit Ihnen gar nicht!
Wir konnten nervenschonend operieren, mussten allerdings nach pathologischem Befund das linke Nervenbündel durchtrennen.
Nieren frei, OP-Nähte dicht, Urin klar, Sie können Urin halten und lassen – ich bin zufrieden mit Ihnen.
Der histologische Befund ist da, ich habe schlechte Nachrichten für Sie, wir haben in einem Lymphknoten Krebs festgestellt, Gleason 9. Ich überbringe auch lieber bessere Nachrichten.
Cancer Board Fürth: Wir empfehlen Hormontherapie und Bestrahlung.
Bestrahlung das halte ich schon etwas für Übertherapiert, eine Woche später: das kann man schon so machen.
PSA-Wert unter der Nachweisgrenze, genau so wie wir es haben wollten.
Sie haben die Problematik der präventiven Bestrahlung gut erkannt. Aber wir haben mittlerweile auch sehr gut wirkende Medikamente.
Cancer Board Erlangen: Wir teilen die Therapieempfehlung der Kollegen, die Hormontherapie wurde kontrovers diskutiert. Sie können sich auch für eine chirurgische Kastration entscheiden, die allerdings auch nicht nebenwirkungsfrei ist.
Ich mag solche Fragen nicht, weil man das so nicht beantworten kann, aber zehn weitere Jahre würde bei Ihnen schon sehen.
Nein, dann habe ich mich wohl falsch ausgedrückt, ich meinte schon auch immer Hormon- und Strahlentherapie.
Beratungshotline: Die S3 Richtlinie sieht für solche fälle vor, dass Sie über die Möglichkeit der aktiven Überwachung informiert werden!" Das wurde so deutlich nicht formuliert.
PSA unter der Nachweisgrenze, genau so wir das wollen."
       
02.11.2016 1.34 10.11.14
Die Psyche
Ich hielt mich immer für eine gefestigte Persönlichkeit und emotional belastbar. Und mit 60 Jahren hat man schon etwas Lebenserfahrung, Krankheiten, Krisen und Stress bewältigt. Auf das, was diese Erkrankung mit meiner Psyche machte, war ich nicht vorbereitet. Es beginnt mit einem mäßigen Schock, nach dem ersten leichten Befund und ich denke noch, das lässt sich mit einer modernen Behandlung gut in den Griff kriegen. Und ich gehe die Entscheidung relativ akademisch mit einer Entscheidungsmatrix an. Nach der nächsten Diagnose kann ich die Matrix in die Tonne treten, jede Behandlung, die ich vorher ausgeschlossen hatte werde ich jetzt zulassen müssen – ich habe mit diesem Status kaum Alternativen – ich komme mir durch die Krankheit entmündigt vor. Schon das nimmt mir Halt, ich war es gewohnt Risiken zu gewichten, abzuschätzen und dann bestmöglich zu entscheiden.
Ich habe gerne lineare Heilungsverläufe, meine Psyche sieht das aber nicht so. Immer wieder krasse Wendungen und Ambivalenzen: erst schließt man Behandlungsmethoden aus, dann sehnt man sich den Tag der Durchführung herbei. Am Tag meiner Entlassung: ich habe die OP gut verkraftet, die OP-Nähte sind dicht, die Nieren frei, kann Urin halten und abgeben, zwei große Spaziergänge machen – ja ich fühlte mich so gut, das ich mich einen Tag früher entlassen habe. Dann die Abschlußuntersuchung, alles bestens aber zum Schluss: der Krebs ist nicht mehr lokal begrenzt, wir fanden einen Gleason 9 Krebs in einem Lymphknoten! Vier Stunden fühlte ich mich richtig gut, dann unvermittelt der Tiefschlag.
Schon die Empfehlung des Sozialdienstes bezüglich eines Schwerbehinderten Ausweises ein Schock – bin ich jetzt schwerbehindert? Nach der Beantragung denke ich, soll ich auf zwei Jahre oder fünf Jahre Heilbewährung hoffen? Geprüft von medizinischen Dienst des Versorgungsamtes würden zwei Jahre bedeuten, es ist nicht so schlimm – fünf Jahre würden mich besser absichern. Es werden fünf!
Mein Selbstbild wird an so vielen Stellen erschüttert;
Die Selbstvorwürfe: Ich mache mir Vorwürfe, bei den PSA-Werten nicht jedes Mal dazu gesagt zu haben, dass ich 1,25 mg Finasterid nehme, das die Werte wohl nach unten kaschiert; dass ich nicht früher bei der Krankenkasse nachgefragt habe, ob sie meine Unterlagen erhalten haben, 8 Wochen Zeit verstrichen; dass ich nicht früher die Stanzbiopsie zugelassen habe.
Das Selbstvertrauen: bisher hatte ich noch nicht so oft bei Entscheidungen versagt, aber hier bei einer so existentiellen Thematik schon. Ich habe kein zutrauen mehr ob ich die richtigen Entscheidungen treffe und versuche durch 2.,3. Und 4. Meinungen meine Entscheidungen abzusichern und setzt mir das Ziel: Ich mache keine Fehler mehr! Schwierig bei unsicherer Faktenlage und differierenden ärztlichen Aussagen.
Die Emotionalität: ich glaube meinen letzten Weinanfall hatte ich mit 17 – Liebeskummer. Jetzt trifft mich so etwas einmal die Woche; z.B. als ich an vier Tagen unkontrollierten Urinabgang hatte, kam mir vor wie ein Kleinkind und verkrieche mich unter meine Bettdecke. Wohin mit meiner Wut? Wann war ich jemals so wütend, dass ich 10 Minuten Karton zerreiße oder mich auf das Holz hacken freue. Ich war ein nahezu Angst freier Mensch: ‚Lass Ängste nicht dein Leben bestimmen‘ – war immer meine Devise. Und jetzt die Angst nicht mehr viel Zeit mit seinen Lieben verbringen zu können, die Angst vor den Nebenwirkungen, die Angst sich vielleicht doch falsch entschieden zu haben. Ich komme mir vor wie in einem Trauerprozess aber mit mir als Trauergegenstand – bizarr.
Was macht mich als Mann aus: ich denke ich lebte noch ein konservatives Männerbild, bei tränenreichen Aussprachen stelle ich die Schulter zur Verfügung und nicht die Tränen. Ich war selbstkontrolliert, lasse mir Schmerzen nicht anmerken. Ich bin kein Macho, sondern respektvoll gegenüber jeder Frau und Anmache und Schlüpfrigkeiten sind mir, wenn ich so etwas sehe, verhasst. Aber bestimmt Dinge jetzt nicht mehr zu können ist etwas anderes als nicht zu wollen. Stellt sich mit der Hormontherapie auch noch Brustwachstum ein wie bei meinem Vater?
Ich lerne verschiedene Arten des Weinens kennen, von den Verzweifelten, die brauche ich wirklich nicht und bin wild entschlossen, das mir das nicht mehr passiert, über die das leichte melankolische Weinen, bis zum befreienden stillen Tränenfluss, mehr in der Art: Tränen heilen die Seele. Dass freudige Ereignisse das auch auslösen können, Freudentränen, war mir schon klar. Aber ich brauche so was nicht!
Ich nehme mir vor, kontrollierten Emotionalenabfluss zuzulassen um emotionale Abstürze zu vermeiden und mir wird schon wieder klar, dass ich versuche das seelische Problem rational zu lösen. Im nächsten Schritt werde ich wohl eine dialektische Erörterung, These, Antithese, Synthese; Für und Wider von Emotionen bei Hochrisikokrebs-erkrankungen???Bescheuert!
Bei meinem voraussichtlich letztem Besuch bei der Psychoonkologin, schildere ich, dass ich den Eindruck habe, ich weiß doch alles und versuche die Ereignisse rational zuverarbeiten. Sie sagt mir, sie haben ein Trauma erlitten, das zu verarbeiten dauert. Wie bei jemanden, der ein Zugunglück überlebt hat, der denkt nicht: statistisch passiert einem so etwas nicht ein zweites Mal - nein er wird bei jeder Bahnfahrt Ängste erleben, die sich erst über die Zeit abschwächen werden.
Ich mache doch weiter mit der Psychoonkologin, leider erzeugen weder die Geburt meiner Enkeltochter vorletzter Woche noch das am Freitag gelieferte neue Auto soviele Glückshormone, dass ich gedanklich von der Krebskrankheit los lassen könnte. Zu allem Überfluss habe ich heute noch eine Studie entdeckt, die ganz eindeutig die interne + externer Bestrahlung um Längen bessere Werte bezgl. Überlebensrate und Rezidiv, bescheinigt. Ich weis auch nicht wie ich da heraus komme, weder ist Nichtwissen eine Option aber die Bestätigung, sich wohl doch falsch entschieden zu haben zieht mich noch mehr nach unten.


       
03.11.2016 1.34 10.11.14
Was mir geholfen hat: Ich frage nach psychoonkologischer Hilfe, schon das kostet mich Überwindung, schließlich kam ich bisher mit allen Problemen selbst klar. Die Erlanger Psychoonkologie hat gleich im Anschluß an mein Arztgespräch in einen freien Slot. Dass ich vor einer fremden Frau in Tränen ausbreche ist mir peinlich. Aber ich weis, dass Psychologen geschult sind, den Finger in die Wunde zu legen. Sie bietet mir auch Antidepressiva an, ich lehne ab, das wäre für mich das endgültige Eingeständnis, dass ich selbst damit nicht zu Recht kommen.
Schon im ersten Treffen knackt sie diesen Satz: ‚Ich bin doch kein schlechter Mensch‘. Was das für ein verschobenes Wertesystem wäre, Krankheit als gerechte Strafe! Damit öffnet sie mir die Augen, das ist nicht mein Wertesystem, nie würde ich so etwas denken oder zu einem anderen Menschen sagen – diese alttestamentarische Auffassung habe ich immer abgelehnt. Warum denke ich das über mich. Den Satz bin ich los.
Zuhause denke ich das abstrakt weiter und komme auf den Begriff der Selbstfairness. Selbstgerechtigkeit passt nicht, da sie mit einer gewissen Selbstüberheblichkeit, belastet ist. Mir wird klar, wenn ich fair allen andern Menschen gegenüber bin – darf, ja muss ich das auch mir gegenüber sein! Die Erwartungshaltung hinterfragen, einfaches Beispiel, ich spreche meine Schlafstörungen an und die Psychologin zeigt mir eine Grafik, aus der hervorgeht, dass wir mit zunehmenden Alter öfter aufwachen, das sei ganz normal.
Beim nächsten Treffen teile ich der Psychologin mein Gedankenmodell mit, und sie meint, dass einen wichtigen Schritt in der Therapie gegangen bin, das Problem herauslösen, einen anderen Betrachtungsstandpunkt einnehmen und bewerten. In der zweiten Sitzung kommen wir darauf zu sprechen, das mein erster Weinanfall wohl etwas reinigendes in unserer Partnerschaft ausgelöst hat, aber beim zweiten Mal (nach einer schönen Weihnachtsfeier mit meinem Sohn und unserer schwangeren Schwiegertochter) registrierte ich mehr Erschrecken von meiner Frau. Ich hatte der Psychologin meine Situation 2021 geschildert: die Hüft-OP super verkraftet, ein lukratives Abfindungsangebot ausgehandelt, das Wohnmobil nach acht Wochen schon geliefert bekommen, Sohn feiert Kirchliche Trauung nach, das Enkelkind kommt im nächsten Jahr, ich feiere meinen 60ten Geburtstag im Kreis meiner Verwandtschaft – Sie haben einen massiven Befund Gleason 9, Hochrisikokrebs! Ich komme mir vor wie in einer griechischen Tragödie, der Held steigt auf, immer höher – nur mit dem Unterschied, dass ich keine Gottheit beleidigt habe – was immer zum Wendepunkt und die Verdammnis in die Hölle nach sich zieht.
Die banale Feststellung der Psychologin: Was sie durchlebt haben, da ist es doch ganz natürlich, dass sie Emotionen empfinden, sie dürfen Angst, Wut und Trauer empfinden und weinen, das ist keine Krankheit, das ist vollkommen normal! Stimmt, ich stelle fest, dass ich wohl die letzten 60 Jahre meines Lebens meine Emotionen zu stark kontrolliert habe und etwas mehr Emotionalität ruhig zulassen kann. Meine Sensibilität und mein Empathievermögen auch in meiner Emotionalität auszudrücken, sehe ich jetzt als Bereicherung meiner Persönlichkeit.
In unserer dritten Sitzung frage ich wie es weiter gehen kann, Sie bietet mir die Teilnahme an einer Online-Studie an. Es werden wöchentliche Fragebögen eingesetzt und Bewältigung-Strategien vermittelt.
Ein bisschen fühlt es sich noch an als ob meine linke analytische Hirnhälfte versucht mein Limbisches System einzufangen. Aber ich bin mental auf dem Weg der Besserung und gewinne meinen Humor zurück.
       
04.11.2016 1.34 10.11.14
Die Angehörigen: Wann sage ich wem was. Seine Liebsten mit Vermutungen zu verunsichern, kann ja nicht mein Ziel sein. Meine Frau habe ich immer etwas sehr optimistisch über die jeweiligen Untersuchungen informiert. Ich wollte meinem Sohn Sorgen ersparen und erst nach erfolgreicher Operation informieren, mit dem Satz: ‚Ich hatte Krebs, aber jetzt bin ich ihn los.‘ Leider erreiche ich diesen Status nicht, ich weihe ihn ein. Der Psychologin erkläre ich, dass ich kein Mitleid möchte und auch kein Ignorieren, sondern normal behandelt werden möchte. Am einfachsten würde sich dies herstellen lassen, wenn meine Gesprächspartner nicht informiert wären. Ich halte die Information, dass ich Prostatakrebs habe und operiert wurde für die wohl sensibelste Information überhaupt, schließlich teile ich damit ja auch etwas über meinen Sexualstatus mit. Daher möchte ich über die meine Daten selbst bestimmen und schon geht es wieder mit Zwängen los: ich fühle mich verpflichtet, meine beiden Brüder zu informieren und, um meiner Schwester nicht das Gefühl zu geben ich würde sie weniger schätzen auch ihr. Ich kenne meinen jüngeren Bruder, und stelle ihm frei, falls er es nicht aushalten würde, könne er auch seine Frau informieren. Und schon geht es los mit der nicht mehr vorhandenen Selbstbestimmung, die Nachricht hat bei meinem Bruder Spuren hinterlassen, seine Frau spricht ihn an, jetzt weiß auch meine Schwägerin Bescheid. Meine Schwester gibt es an meinem Schwager weiter – ich hoffe hier stoppt die Kette. Ich muss zugeben, dass ein größerer Kreis eben auch verschiedene Blickwinkel bietet, allerdings möchte ich mit meinen Neffen und Nichten nicht meinen Sexualstatus teilen. Allerdings habe ich gerade mit meinem Schwager, mit dem ich mich im Geiste verbunden fühle ein extrem tiefgründiges helfendes Gespräch geführt.
       
05.11.2016 1.34 10.11.14
Die Berichterstattung
Was mich wirklich aufregegt, ist die Berichterstattung und sind die Informationen, die man zum Thema Prostatakrebs erhält. Beginnend damit, dass der PSA-Test immer noch von vielen schlechtgeschrieben wird. Aber wieviel Sicherheit soll eine Tastuntersuchung bringen, die 13% des Organs abdecken kann. Meine Prostata war noch 4 Tag vor OP im Testbefund unauffällig bei einem beidseitigen Befall mit einem Gleason 9 Hochrisikokrebs!
Die Publikationen, was haben wir doch alles für moderne Behandlungsmethoden, HiFu, Turp, Kälte-, Hitze-, Lichttherapie, Embolisation...Wenn Sie einen Hochrisikokrebs haben bleiben OP oder Bestrahlung - wo bleibt da der Fortschritt? Die Medizinischen oft beschönigenden Informationen: "Sie haben dann einen trockenen Orgasmus!" "Die Sexualität wird anders, nicht besser oder schlechter!" Doch, bei mir bleiben vielleicht noch 20% meines besherigen sexuellen Empfindungsvermögens übrig! Was soll das?
       
19.12.2016 1.16 19.12.16
Ich habe wirklick alle Stationen der PSA-Testbestimmung mit gemacht, von "das Geld können Sie sich sparen, Ihre Werte sind Jungfräulich!" bis "Da müssen wir was tun." Einen Vorwurf mache ich mir noch, ich denke ich hätte meinen Urologen immer auch daran erinnern müsse, dass ich seit Jahren Finasterid 1,25 mg einnehme, das drückt wohl den PSA-Wert. Ich denke die tabelarische Angabe der Krankengeschichte schafft bereits einen vernünftigen Überblick. Daher möchte ich mich im schriftlichen Bericht mehr auf eine Schilderung der Auswirkungen auf Seele und Umfeld konzentrieren. Für mich kam das in der Vorbereitung nicht dran und es ist wohl auch zu individuell. Vor allem nach meinem OP-Termin 20.09.21 nehmen die Schilderungen meiner emotionalen Verfassung mehr Raum ein.
       
22.10.2018 2.60 22.10.18
"Das sollten Sie überprüfen lassen!" Allerdings fahre ich auch Rad und so hoch kam mir ein PSA-Wert von 2,6 nicht vor.
       
19.10.2020 3.62 19.10.20
Super mal ein fallender PSA-Wert, ich hatte einen Krankenhausaufenthalt und entsprechend keine Stimulierung der Prostata.
       
09.04.2021 5.93 09.04.21
Wert wieder zu hoch, mein Urologe rät zur Biopsie, ich habe allerdings die Sorge, dass damit ein ggf. vorhanderner Krebs erst gestreut wird und, dass sich eine Entzündung bilden könnte, die sich auf meine beiden Hüftimplantate - die über kein Immunsystem verfügen - legen. Als Alternative wird mp-MRT - keine Kassenleistung - angeboten. Ich werfe die Begründung meines Urologen am 9.4.21 in den Briefkasten der Krankenkasse ein und höre acht Wochen nichts. Meine Unterlagen sind nicht angekommen! Ich gebe diese erneut ab und erhalte eine Ablehnung. Ich telefoniere und erkläre meine Befürchtungen mit der Hüfte, lege Einspruch ein mit meiner ausführlichen Begründung gegenüber dem medizinischen Dienst. Mit schlechtem Gefühl, weil ich mich als informierter Laie von Medizinern nicht immer ernstgenomen fühle. Kurz vor Ablauf der Überweisung erhalte ich die Kostenzusage.
       
29.06.2021 5.93 09.04.21
Der Radiologe fragt was mich her führt, aufgrund meiner familiären Vorgeschichte und meines PSA-Wertes, meint er nur 'alles richtig gemacht.' Dann warten auf das Bild und Besprechung. "Wir haben eine suspekte Stelle - etwa so groß wie ein kleiner Fingernagel - gefunden das sollten Sie weiter abklären lassen. Es trifft mich mit einem dumpfen Gefühl, jetzt hat dich der Krebs doch erwischt, aber eine kleine Stelle das sollte sich doch mit einer modernen Alternativbehandlung (HIFU, Brachytherapie, Embolisation) in den Griff kriegen lassen.
       
01.07.2021 5.93 09.04.21
Besprechung mit meinem Urologen, er rät zur zielgerichteten Stanzbiopsie - keine Kassenleistung und ich weis, ja das muss jetzt sein. Das ist übrigens eine der Auswirkungen der Krankheit die mich so belasten, dieses 'das mußt du jetzt machen lassen!' - Empfinden. Natürlich bin ich der endgültige Entscheider, aber die Krankheit gibt einem einfach wenig Entscheidungsspielraum. Ich komme mir Fremdbestimmt vor - das bin ich so nicht gewohnt.
Wieder die Diskussion mit der Krankenkasse und ich argumentiere: wir werden doch die teure detaillierte Diagnose die jetzt vorliegt nicht in den Papierkorb werfen und dann blind in einem wahrscheinlich erkranktem Organ zu Biopsieren. Ich erhalte wieder die Zusage der Kostenübernahme. Zwar wieder ein Erfolgt, aber diese Diskussionen kosten Kraft und ich denke mir immer, ich will doch nicht übertriebenes, das macht doch auf für die Kasse sinn.
Kleines Zwischenhoch mein Hausarzt meint noch, keine Sorge, bei einem symtomlosen Zufallsbefund wird meisten nichts festgestellt. Für die OP-Vorbereitung gehe ich zu einem Internesten, meinem ehemaligen Hausarzt. Der meint nur, in Ihrem Alter (ich bin 59) gibt es doch eh keine Frage - Operation. Ich frage nach was er damit meint. Dann kommt der erste Hammer radikale Entfernung der Prostata! Mir rutscht wörtlich heraus: "Und Stuhlinkontinenz, Inkontinenz und Impotenz - alles Scheiß egal, oder wie!" Die S3-Richtlinie wäre da ganz eindeutig. Meiner Nachfrage bzgl. Embolisation, davon hält er nichts.
       
05.08.2021 5.93 09.04.21
Blutabnahme, EKG, Vorbesprechungen - die Biopsie die in Vollnarkose durchgeführt wird wirft Ihre Schatten voraus. Schon eigenartig, wie sich die Einstellung im Kopf ändert, erst lehne ich eine Biopsie gedanklich ab, dann sehne ich mir den Termin herbei, weil ich aus der Grübelspirale nicht herauskomme.
5.8.21 um 9:30 komme ich mit dem Fahrad im Krankenhaus in Nürnberg an. Ich habe kein gutes Gefühl, nach zermürbenden Warten mit einem Mitpatienten um die 70 komme ich endlich dran. Ein super netter Krankenpfleger identifiziert mich anhand meiner Schulternarbe als Radfahrer und entspannt dieses beunruigende Atmosphäre vor der OP. Ich habe mir zwei Hüften mit spinaler Betäubung einsetzen lassen, weil ich den Kontrollverlust nicht mag, jetzt - Vollnarkose! Die Schmerzen sind verkraftbar. Dann wieder ein besonders Schönes Beispiel, wie weibliche Pflegekräfte mit der Intimspäre von Männer umgehen: Mein Zimmergenosse steht komplett nackt im Zimmer, sie tritt ein geht zu Ihrem männlichen Kollegen und frägt: "Kann ich dir noch etwas helfen?" Das Zimmer dann eben erst 2 Minuten später zu betreten war schon wieder zu viel. Bei meiner 2. Hüft-OP habe ich netten Smaltalk mit zwei männlichen Pflegern vor dem OP-Zimmer, mir wird der OP-Kittel geöffnet, eine Decke darüber gelegt und sie ziehen den OP-Kittel unten darunter weg. Nicht nur rücksichtsvoll sondern, es friert mich auch nicht. Die drei weiblichen Pflegekräfte (eine noch keine Zwanzig) bei meiner 1. Hüft-OP ziehen mich komplett aus und lassen mich bis ich in den OP-Saal geschoben werde nackt liegen.
       
20.08.2021 5.93 09.04.21
Der histologische Befund: neun von 12 Stanzen sind positiv. Es trifft mich wie einen Hammer, ich fahre den Befund noch beim Urologen vorbei und frage nach einem Termin. Obwohl immer sehr ausgebucht erhalte ich noch am Freitag einen Gesprächstermin. "Das ist ein massiver Befund, da müssen wir etwas tun! Sie haben einen Gleason 8 Befund! Und einen kleinen 9er!" Ich frage noch so blöd, in welche Richtung die Skala geht. "10 ist der höchste Wert - Hochrisikoeinstufung. Ich würde Ihnen, Sie sind ja noch jung, die Totaloperation, mit anschließender Hormontherapie empfehlen! Wir schießen aus allen Rohren!" Ich erkläre noch, dass es nicht meine Absicht ist, als inkontinenter, chemisch kastrierter Eunuch, noch ein paar Jahre länger in meinem Sessel zu sitzen und erhalte die Entgegnung, dass dies ein extremes Bild wäre und auch nicht seine Absicht. Aber die Situation können wir nicht wegdiskutieren. Ich erhalte eine Überweisung an einen Radiologen für ein CT des Bauchraumes und eine Untersuchung ob die Knochen bereits befallen sind. Es ist bereits Freitagnachmittag und trotzdem telefoniert die, oft etwas unfreundlich wirkende Dame am Empfang, wer mich kurzfristig durchleuchten würde - ich komme ins grübeln: einerseits nett, dass sie gleich telefoniert, andererseits, ist die Situation so kritisch? Auf dem Heimweg: habe ich dafür das Abfindungsangebot angenommen, im Frühjahr das Wohnmobil gekauft? Inkontinent auf große Fahrt gehen, was wünscht man sich mehr?
       
01.09.2021 5.93 09.04.21
Mein 60. Geburtstag. 10:00 Uhr, eine zeitaufwendige radiologische Untersuchung. Ergebnis der Krebs ist lokal auf die Prostata beschränkt, dann die Knochensintegraphie, die Ärztin fragt, ob sie mir noch zum runden Geburtstag gratulieren darf. Ich entgegne: nur, wenn es etwas zum gratulieren gibt. Ja, das gäbe es, die Knochen sind frei von Metastasen. Ich verlasse die Praxis in besserer Stimmung.
06.09.21, Montag: mein Urologen formuliert es so: "Das ist das beste Ergebnis, das Sie in Ihrer Situation kriegen konnten. Wo wollen Sie sich operieren lassen?" Ich entgegne: "In der Region hat die fürther Urologie hat einen ganz guten Ruf." "Ja, ich würde innerhalb der Region auch nach Fürth gehen. Jetzt müssen wir mal sehen, wann wir da einen Termin für sie kriegen." "Ich habe morgen früh einen Termin in Fürth." Ich registriere ein leichtes Erstaunen in seinem Gesicht. Ja, manchmal spiele ich wieder Projektmanager und optimiere meine Termine selbst. Ich will jetzt einfach keine Zeit mehr verlieren.
       
07.09.2021 5.93 09.04.21
Beratungsgespräch in Fürth. Eisiges Schweigen im Wartezimmer, ich gehe rein und ich muss wieder einmal an meinem Verstand zweifeln, ich habe die neuesen Diagnosen nicht dabei, so etwas passiert mir normalerweise nicht. Ich biete an später zu kommen, die Schwester versucht die Dignosen per Fax zu erhalten, funktioniert nicht. "Ach sie kennen sich in Ihren Befunden gut aus, wir können das Beratungsgespräch schon führen." Aber mir geht die ganze Zeit durch den Kopf, dass er jetzt ohne der Top-Diagnostik eine Empfehlung abgibt. Am Ende schlägt er Operation oder Bestrahlung vor - beides wollte ich nie, dann der wunderbare Satz: "Wahrscheinlich führen beide Wege zum Ziel, aber Ihre Entscheidung soll sich gut anfühlen." Ich denke mir nur, du bietest mir Pest oder Cholora an - aber es soll sich gut anfühlen. Er verschafft mir noch kurzfristig einen Termin zur Beratung in der Strahlenklinik und frägt welche OP-Termine noch frei wären: 20.9. oder 27.9. wären noch Da Vinci-OP's möglich. Er hält den 20 für zu früh, ich nehme den 20. Eine Woche länger in den Schlaf grübeln was soll mir das bringen.
       
10.09.2021 5.93 09.04.21
Donnerstag: Aufklärungsgespräch mit der Stahlenärztin. Wir diskutieren, die Standardmethode (40 Bestrahlungen) in Fürth, Brachietherapie im Afterloadverfahren oder einsetzen von Seeds die in der Prostata verbleiben können, wäre in Erlangen möglich. Ich spreche sie noch auf das Zweitwaffenargument des Chirurgen an und nötige Ihr eine persönliche Aussage ab: "Wenn Sie so auf Zahlen und prozentuale Überlebensprognosen aus sind, sollten Sie vielleicht mit meinem Chef sprechen, der würde Ihnen zur Bestrahlung raten. Ja, wenn sie mich so fragen, die Jüngeren lassen sich ehr operieren, ja ich würde mich für die Operation entscheiden." Wieder ein Schock, aber ich habe Zutrauen in Ihre Einschätzung, weil sie die Methode des Kollegen und nicht die eigene empfiehlt. Ich spreche noch an, dass ich mit Brustwachstum durch die Hormontherapie nicht klar kommen würde und sie bietet mir fünf Bestrahlungstermine der Brustdrüsen im November an.
       
13.09.2021 13.60 13.09.21
Montag: das Gespräch mit der MTA nett und entspannend, Voruntersuchung durch eine junge Assistenzärztin, warum soviele Frauen in der Urologie arbeiten, o.k. allerdings fallen zwei Aussagen, HiFu nein, 'ich kann auch noch meinen Chef fragen', ich sage dummer weise nicht, ja bitte und 'vielleicht werden Sie nach der OP herunter gestuft'. Ich steige nochmals ins Internet ein, ab Gleason 8 wird keine HiFu durchgeführt, ich stehe bei 8 (ein kleiner 9er) was nützt es mir, wenn ich nach der OP auf 7 heruntergestuft werde - dann wurde mir die Prostata schon entfernt. Dies, und das Angebot noch einmal bei Ihrem Chef rückzufragen - was ich als Handlungsspielraum interpretiere - bringt mich dazu noch am Abend eine Mail ans Klinikum zu schreiben. Bis Mittwoch keine Antwort, ich rufe an und sage, dass bei allem Verständnis für beruflichen Stress innerhalb von drei Tagen eine Antwort doch möglich sein muss, bei einer für mich so wichtigen Frage.
       
17.09.2021 13.60 13.09.21
17.09.21 Donnerstag: Ich gehe ins Sekretariat, und werde empfangen: "Sie sind der Herr W, (ich komme mir ein bisschen vor wie der Querulant, auf den man schon gewartet hat) bitte nehmen Sie im Wartezimmer Platz, es hat nur die Assistenzärztin einen freien Termin. Ein anderer Arzt wäre mir lieber gewesen. Ich komme in das Sprechzimmer und werde begrüßt mit: "Da haben Sie mich am Montag vollkommen falsch verstanden..." meine Rückfrage nach einer alternativen HiFi-Behandlung wird mit: "HiFu werde ich mit Ihnen gar nicht diskutieren!......... und die S3 Richtlinie ist da ganz eindeutig!" Das fand sich schon mal zwei ganz schlechte Satzanfänge, wenn ich als Arzt mit Menschen spreche die einen Befund erhalten haben, dass sie einen Hochrisiokrebs in sich tragen. Ich antworte:"Diskutieren müssen sie das nicht, aber Erklären." und mir rutscht noch: " Sie legen Ihren hypokratischen Eid nicht auf die S3-Richtlinie sondern auf den Patienten ab!" heraus. Ich formuliere in meinen Worten: "Ist es bei mir wohl so, dass mehrere Krebsherde vorhanden sind, die sich mit der HiFu-Methode nicht ausreichend sicher entfernen lassen?" Auch hier bezeichnend, dass sie nicht einfach bejahen kann, sondern in Medizinersprache irgendwie anders formuliert aber das gleiche sagt. Mir geht noch durch den Kopf, ob ich diese Ärztin von meiner Behandlung ausschließen soll - aber ich lass es; weil mir jetzt klar wird, dass die Totaloperation ansteht und ich nicht als Querulant gelten will. Die Vorgespräche, die präoperative Aufnahme, der Coronatest - schon beginnen mich die Krankenhausprozesse einzusaugen. Zuhause lasse ich meine Wut an Pappkartons aus, die ich zerreiße und in die Tonne werfe, war gut reicht aber nur für 10 Minuten - ein Boxsack wäre mir lieber gewesen.
       
19.09.2021 13.60 13.09.21
Sonntag: ich fühle mich so alleine in meinem Krankenzimmer, wie noch nie in meinem Leben.Jetzt läuft also die Maschinerie an und ich muss all das mit mir geschehen lassen was ich ursprünglich nicht wollte. Wieder eines dieser gruseligen Bilder in meinem Kopf, wie fühlt man sich am Abend vor einer Amputation, hatte ich gestern den letzten Orgasmus? ich bin kein so schlechter Mensch - warum also. 'Jeder kriegt das was er verdient???' An dieser Stelle habe ich meinen Glauben verloren und ich könnte auch keine Sprüche wie: die auferlegten Prüfungen die den Glauben stärken sollen, hören. Das ist nicht fair, das kann ihn ihm nicht verzeihen. Überhaupt die Entscheidung für die OP: beide Hüftoperationen habe ich herausgeschoben um ggf. einen notwendig werdenden Wechsel zu vermeiden; aber ich hatte zum Schluss bei jedem Schritt Schmerzen und die Prognosen sind sehr gut im Bezug auf Schmerzfreiheit - was sich auch bewahrheitete.
Wie viel anders ist die Situation jetzt: ich habe überhaupt keine Schmerzen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde ich impotent und meine Kontinenz muss ich mir erst wieder erarbeiten - tolle Aussichten! Aber ein schnell wachsender Krebs hat sich in der Prostata breit gemacht. Wenn mir nach 40 Jahren Rauchen der Lungenfacharzt sagen würde: Sie haben Lungenkrebs, könnte ich das leichter verarbeiten, im Wissen lange Zeit etwas Falsches gemacht zu haben. Ich habe immer versucht meine Gesundheit im Auge zu behalten und das Richtige zu tun. Habe immer Sport gemacht, nie geraucht, mein Gewicht im Vergleich zu manchen Altersgenossen ganz gut gehalten und abwechslungsreich ernährt.
Während der ganzen Zeit komme ich mir vor wie bei einem freien Fall Richtung Hölle und bei jedem ärztlichen Termin, beschleunigt man mich etwas mehr. Falls doch einmal etwas Positives festgestellt wird, kommt es bei der nächsten ärztlichen Besprechung nur noch schlimmer.
19:00 Uhr der Pfleger kommt doch noch, ich kann meinen Schlafanzug anziehen meine Körperrasur wird überprüft: "Das haben Sie gut hinbekommen." Schön, dass ich wenigstens die kleinen Dinge gut erledigen kann. Ich schaue Fern bis mir die Augen zufallen und schlafe ganz passabel.
       
20.09.2021 13.60 13.09.21
6:30 Uhr Wecken, OP-Kittel anziehen 1,5 Std. warten, fährt durch die Gänge zum OP, alles irgendwie düster. Ich wollte noch kurz mit dem Operateur sprechen, ihn vorher sehen - die Zeit bleibt nicht. Die Tablette habe ich schon genommen, die Spritze wurde gesetzt - ich wache in der umtriebigen Wachstation auf und fühle mich schlecht. Es ist immer wieder der selbe erschreckende Moment, irgendwie wurde mir Lebenszeit genommen und ich hatte keine Kontrolle darüber was zwischen Wegspritzem und Aufwachen passier ist. Und nein, es fühlt sich nicht wie eingeschlafen an, du bist mit einem Fingerschnippen weg und dann hoffentlich wieder da! Ich übergebe mich und die Schwestern laufen und drücken auf meinem Bauch um die OP-Narben zu schützen. Dann noch einmal, wieder die Auflauf von Schwestern und der jungen Assistenzärztin die ich aus dem Vorgespräch kenne. Es ist mir unangenehm für soviel Aufregung zu sorgen. "Atmen Sie ruhig durch den Mund." Ich habe noch im Kopf, dass es zu Lungenentzündung führen kann, wenn man Erbrochenes einatmet. Ich werde auf meine Station geschoben, ich erbreche mich, bis mein Bett auf dem jetzt mit drei Personen belegtem Zimmer zum Stillstand kommt. Ich bin fertig irgendwer stellt mir Abendessen auf den Tisch, ich versuche noch einen Schluck Tee, dann kommt die Schwester, die weis, dass ich nichts zu mir nehmen kann. "Wer stellt ihm den Essen her und der Tee kommt weg!" Irgendwann setzt Erschöpfungsschlaf ein, unterbrochen von Patientenalarmen, der Nachtschicht, die alle zwei Stunden die Infussionsspülungen meiner Zimmergenossen wechselt, die anschließend in einen Edelstahleimer geräuschvoll tropfen und der laut tickenden Zimmeruhr über der Tür. Ich spüre Nässe links am Bauch, die Kompresse ist durchgeblutet. Dies wird das einzige Mal sein, dass ich in der Nacht den Patientenalarm auslöse.

21.09.21: Um 5 Uhr meldet sich die Nachtschicht ab, um 6:30 weckt durch die Frühschicht, Licht an bis 7:30 das mir in die Augen blendet. Frühstück. 9:00 Uhr Visite: Ein relativ junger Stationsarzt fragt: "Herr W wie geht es Ihnen?" Ich bin in schlechter Stimmung und entgegne: "Fragen Sie mich das in einem Jahr."
       
22.09.2021 13.60 13.09.21
Die Sozialbetreuung schaut vorbei, angenehmerweise sind wir zu zweit auf dem Zimmer, allerdings kommen mir einmal kurz die Tränen, das ist mir vor Fremden noch nie passiert. Die nette Physiotherapeutin kommt wieder: aufstehen mit langgezogener Ichchchchchch-Laut- Ausatmung - das mit der Ichchchchchch- Ausatmung werde ich mir wohl nicht angewöhnen. Erste Schritte mit der Physiotherapeutin, und Treppensteigen. Das Entlassungsmanagement schlägt mir eine Reha vor, ich lehne ab! Ich kann mir nicht vorstellen, wie mir das helfen soll mit anderen Krebskranken zusammen zu sein. Weder kann ich den Gedanken: den anderen geht es ja noch schlechter etwas abgewinnen, noch würde es mich aufbauen zu sehen, die Andern kommen besser mit der Erkrankung zurecht. Gruppensitzungen wären mir ein Greul, ich will nicht über meine Erkrankung reden.
       
23.09.2021 13.60 13.09.21
Für mich eine echt schwierige Frage: Wann sage ich wem, was? Seine Liebsten zu verunsichern macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Meine Frau habe ich immer etwas sehr positiv informiert. Meinem Sohn wollte ich nach der OP sagen, ich hatte Krebs, er ist weg mach dir keine Sorgen. Ich hatte das Gespräch mit meinem Sohn für den Sonntag geplant, ich habe schon immer das Auto als geschützten Raum für ernsthafte Zweiergespräche geschätzt und dann könnten wir über Fakten sprechen nicht über Befürchtungen und Vermutungen. Aber meine Tarnung fliegt auf, mein Sohn kommt ins Krankenhaus. Ich habe Mühe die Fassung zu halten, es passiert genau das was ich befürchtet hatte, je näher mir mein Gesprächspartner steht, desto mehr strengt mich das emotional an. Ich spreche praktisch mit meiner linken, analytischen Hirnhälfte, mit den beiden komme ich ja zurecht. Er macht mir noch Mut mit dem Blick auf mein Enkelkind im kommenden Februar, und ich antworte noch, dass ich den Krebs niederkämpfen werde, er hätte sich den falschen Gegner ausgesucht. Never give up!
       
20.12.2021 0.00 03.11.21
Die Empfehlung des Cancer Boardes Erlangen stimmt mit der aus Fürth überein. Nur im Punkt Hormonbehandlung fällt der Satz: "Der Einsatz der Hormonbehandlung wurde kontrovers diskutiert!" Das ist jetzt wirklich keine Hilfe und auch der Hinweis, ich könne mich Kastrieren lassen schockiert mich. Nach meiner Durchsprache des Cancer Board Erlangen (Zweitmeinung) erhalte ich die Prognose, zehn Jahre sieht er schon noch für mich! Es trifft mich und trotzdem antworte ich auf die Frage, ob er noch etwas tun kann, "Wenn sie sich nicht auf 15 Jahre hochhandeln lassen nicht." Ich frage nach eine Psychologischen Unterstutzung, und sie rührt sich innerhalb von 5 Minuten - toll. Beeindruckend ist schon, dass sie in der ersten Sitzung meinen mich quälenden Gedanken, 'warum trifft es mich, ich bin kein schlechter Mensch'. relativiert, warum ich ein so verschobenes Wertesystem hätte, Krankheit als Strafe!
In der nächsten Sitzung geht es darum, die Sicht von außen bei der Beurteilung einzusetzen, "Was würden Sie einen guten Freund in dieser Situation sagen?" Vielleicht 1 Weinanfall pro Woche, ab und an stiller Tränenfluß.
Zwei Inkontinenzvorfälle, mein Selbstbewußtsein ist am Boden, sauber machen, unter die Bettdecke verkriechen. Wenn ich banalste Körperfunktionen nicht im Griff habe, bin ich ein Nichts.
       
31.03.2022 0.01 31.03.22
PSA immernoch 0,0 besser geht es nicht, aber die Nebenwirkungen der Hormontherapie schlagen voll durch. Ich würde es mit Pubertät rückwärts umschreiben, manchmal frage ich mich wieviel von mir als Mann noch übrigbleibt.
Die Bestrahlung beginnt, 40 mal Darm leer, Blase voll zum Fixtermin - es klappt fast immer, nur einmal muss ich mich von der MTA anmachen lassen. Ich stecke die Bestrahlung ganz gut weg, ob die verringerte Leistungsfähigkeit auf die Bestrahlung oder Hormonbehandlung zurückzuführen ist - keine Ahnung.
Ich gehe drei Wochen auf Reha, sie tut mir gut, obwohl ich gerne meine körperliche Leistungsfähigkeit stärker verbessert hätte.
       
30.06.2022 0.00 30.06.22
Ich lasse eine Knochendichtemessung auf meine Kosten machen, -2,06 Osteopenie, die Vorstufe der Osteoporose! Ich denke, bei einem PSA 0,0 könnte ich doch die ADT beenden. Dann stoße ich auf die Studie von Lichtenstein (2017) demnach hätte ich als Gleason 9 Patient eine zwischen 66 und 88%ige Rezidivwahrscheinlichkeit! Ich bin am Boden, habe ich diese ganze Prozedur über mich ergehen lassen, dass ich in 5 Jahren mit einem ungekapselten PCa wieder am Anfang stehe? Mein bester Freund hat einen schweren Autounfall, seine Frau stirbt, meine Frau erhält einen dubiosen Krebsbefund - mein Leben läuft eine Wochen wie in Watte - ich bin am Boden.
Dann zummindest bei meiner Frau Entwarnung. Ich bin wieder am Boden, keine meiner bisherigen Bewältigungstrategien funktionieren. Die Informationen über PCa: langsamer, ungefährlcher, alterniativ behandelbar - nicht trifft auf meinen Hochrisikokrebs zu. Mein Risiko mir mit 60 einen Hochrisikokrebs einzufangen, lag bei 6%! Es hat mich doch getroffen. Ängste durch Information beseitigen, funktioniert nicht, es wird nur schlimmer.
       
30.09.2022 0.00 12.09.22
Ich bin im einer "Jahresrückblicksdepression: Vor einem Jahr die Diagnose, die Biopsie, vor einem Jahr warst du noch vollfunktionsfähig. Die Leiterin der Psychoonkologie diagnostiziert eine Depression! Das kann sie nicht in einem 4Wochenrythmus behandeln. Es schockiert mich, auch unsere Partnerschaft leidet. Etwas unwillig suche ich einen Therapeuten und finde über die Hotline der Kassenärztlichenvereinigung einen Therapeuten, der noch Plätze frei hat.
Die mentale Arbeit beginnt, machmal denke ich schon, du bis fertig damit, dann kommt ein Artikel einer Klinik mit dem Tenor, PCa alles nicht so schlimm! Das wirft mich wieder zurück, das jetzt schon zum zweiten Mal von ärztlicher Seite zu hören, finde ich extrem emphatielos. Ich schreibe den Prof. Dr. über das Kontaktformular an, mal sehen ob sich jemand rührt.
       
29.11.2022 0.00 12.09.22
Mein Orthopäde schickt mich wegen Rückenschmerzen zum MRT und ich komme mit der Diagnose Metastasen an der Wirbelsäule zurück. Ich bin wieder am Boden, Information aus dem Internet: Halbierung der Lebenserwartung, Querschnittslähmung möglich, Überlebenswahrscheinlichkeit 5 Jahre 29% oder eine andere Studie: 50 Monate 31%. "Sei nicht immer so negativ!" Ich denke mir gerade, ich kann gar nicht negativ genug denken, ich dachte 5 Jahre hätte ich vielleicht ruhe, nein nach 1,5 Jahren geht es schon wieder los!.Dann warten auf den Termin für ein PSAM PET/CT und nach 6 Wochen Entwarnung, es wäre nur eine gutmütige Metastase!
       
10.01.2023 0.00 28.12.22
PSMA PET/CT keine Metastasen! Weder Knochen, noch innere Organe.
       

Cookie Policy

By clicking the "Accept" button below, you agree to our Cookie Policy & Privacy

Wenn Sie unten auf "Accept" klicken, erklären Sie sich mit unserer Cookie-Richtlinie und dem Datenschutz einverstanden.